Oh... also war es wirklich schlimm geworden. Aurora war ja früh genug abgehauen, um das alles nicht mehr mitzubekommen, sie hatte irgendwie noch bemerkt, dass man Yuuki abgefüllt hatte, aber ganz so schlimm war das nicht geworden, bis sie die Runde verlassen hatte. Der Grund dafür waren eben jene ominösen Freunde des älteren Bruders gewesen, die ihr wirklich nicht gefallen hatten. Im Allgemeinen hatte sie ja wenig gegen auch ein bisschen gröbere Menschen, sie war da so einiges gewöhnt, aber irgendwann war ihr die Lust vergangen. Wahrscheinlich hätte sie besser länger bleiben sollen, um sie davon abzuhalten, Yuuki dermaßen fertig zu machen. Konnte sie aber so gesehen noch nachholen, da sie recht leicht dazu in der Lage war, jede Person in Hosenka Town zu finden. Sie hatte mehr Kontakte zu den eher weniger feinen Gegenden als zu respektablen Personen und unten in der Gosse kannte man jeden und niemanden. Es war ein leichtes, da einen Straßenjungen auf eine bestimmte Person anzusetzen oder ähnliches... "Wenn du willst kann ich den ach so freundlichen Freunden deines Bruders gerne nahe legen, dass sie sich bei dir zu entschuldigen haben...", meinte sie mit einem grimmigen Lächeln, das eindeutig machen sollte, dass sie es vollkommen ernst meinte. Natürlich fiel es gerade Männern zunächst schwer, eine Person ihrer Größe mit einem solchen Anliegen ernst zu nehmen, aber sie hatte Wege, sich durchzusetzen. Ein freundlicher Hinweis entfaltete eine ganz andere Wirkung, wenn man über das Geländer einer Brücke gehalten wurde und dabei in ein lächelndes Gesicht blickte, welches mit Unschuldsmiene wiederholte, was man zuerst nicht wahrgenommen hatte. Aber wahrscheinlich würde er das Angebot eh ablehnen, Yuuki war viel zu weich für solche Methoden. Das war in gewissem Sinne wirklich traurig, denn manchmal musste man doch einfach ein wenig Spaß in dieser Richtung haben, oder? Yuuki wiederum wirkte meistens wie auf friedliche machenden Drogen und würde wahrscheinlich nicht mal dem Mörder seines Bruder etwas böses wollen... oder vielleicht doch?
Die Magie mit der sie herumexperimentiert hatte? Sie war sich nicht gänzlich sicher, ob er sich wirklich dafür interessierte oder ob er einfach nur schnellst möglich das Thema wechseln wollte. Auch wusste sie nicht, ob sie ihm da näheres erzählen wollte. Zwar war er ihr bester Freund, aber das alles stand noch in den Sternen, sie wollte sich nachher auch nicht die Blöße geben müssen, ihm zu gestehen, dass sie es nicht hingekriegt hatte. Aber es wäre ebenso gemein, ihn nun in der Luft hängen zu lassen, zumal sie verstehen konnte, wenn er das leidige Thema "17. Geburtstag" gerne abhaken wollte. "Ach, nur ein Take Over.", meinte sie, als sei es die nebensächlichste Sache der Welt. Mehr ins Detail würde sie aber erst einmal noch nicht gehen. "Welches und wie genau zeig ich dir dann, wenn es so weit ist." Sie grinste und blickte den Jungen schief von der Seite an. Dass sie inzwischen nur noch weiter in die Mitte Hosenkas gelaufen waren, war ihr nicht entgangen und langsam war es an der Zeit, das ganze mal zu hinterfragen. "Yuuki-kun? Was genau machen wir eigentlich im Zentrum Hosenkas, wenn wir ein paar Leute von einer einsamen Insel retten sollen? Ich will ja nicht meckern oder so, aber das Meer ist in die andere Richtung."

Ob die Freunde seines älteren Bruders eine Lektion für ihre Tat benötigten? Für gewöhnlich hätte Yuuki einer anderen Person in einem ähnlichen Falle davon abgeraten, schließlich konnte so etwas schon mal vorkommen und dermaßen schlimm würde es sicherlich nicht gewesen Fall. Dieses Mal dachte er sich jedoch etwas anderes, und zwar: Aber Hallo! Die Leute verdienten eine Abreibung vom Feinsten, dafür, was sie ihm zugemutet hatten. Ganze zwei verdammte Tage hatte er sich so mies gefühlt, wie selten in seinem Leben zuvor, sodass er zu nichts gekommen war. Zudem hatte er gut sechs bis sieben Mahlzeiten verpasst, das war ungeheuerlich! Verständlich, dass der Grynder das wirklich überhaupt nicht lustig fand und dementsprechend nicht darüber lachen konnte. Ein Geburtstag sollte seiner Meinung ein spezieller Tag sein, an den man sich gerne und mit Freuden zurückerinnerte, da man beispielsweise eine schöne Feier gehabt hatte. Freunde waren da, man hatte Spaß und konnte bestimmt hier oder da mal ein wenig Schabernack treiben, aber das wars auch schon. Keinesfalls so etwas, wie ihm an seinem 17. Geburtstag geschehen war, einen Tag, den er am Liebsten schnellstmöglich vergessen und aus seinem Leben gestrichen sehen wollte. Bisher hatte der Rotschopf noch nicht mitbekommen, ob er an diesem Abend etwas Peinliches gemacht oder gesagt hatte, da er noch nicht in das Vergnügen gekommen war, mit den dort Anwesenden zu sprechen. Seltsam war nur, dass ihm manche Leute aus der Stadt und aus dem Restaurant komische Blicke zugeworfen hatten, als er vorgestern daran vorbei gelaufen war. Irgendwie warf es in ihm doch die Vermutung auf, dass da mehr dahinter steckte, als das, an was er sich erinnern konnte. Und an irgendeinem Punkt brach seine Erinnerung auch ab, da wurde es einfach schwarz. Und aus diesem Grund mochte seine folgende Reaktion zwar überraschend sein, doch Yuuki lächelte seine Partnerin einfach freundlich an, als ob ihn nichts auf der Welt wirklich bekümmerte. "Das würdest du echt tun? Danke. Klingt doch mal gar nicht so schlecht. Solange sie sich noch in einem Stück und dazu in der Lage sind, gerne." Hoffentlich verstand sie seinen Wink mit dem Zaunpfahl, bitte keine unnötigen Opfer, aber das wusste sie gewiss selbst. Eigentlich musst gesagt sein, dass ihm noch nie zu Ohren gekommen war, dass sie Ärger von irgendeiner Obrigkeit aus Lamia Scale bekommen hatte. Trotzdem, Aurora mochte so ziemlich alles und jeden platt machen, der ihm so auf die schnelle in ihrem Alter einfiel – ihn eingeschlossen. Klar, gegen die Ace aus ihrer Gilde und Meister Gale persönlich würde es bestimmt nicht so rosig laufen, aber sie konnte sich gut und gerne als eine der stärksten Magier der normalrangigen ansehen. Dort wollte er sich auch irgendwann mal sehen, dachte er sich. Ihre magischen Fähigkeiten hielten sich zwar arg in Grenzen, da hatte er ihr einiges voraus, aber es war doch vielmehr ihre körperliche Kraft, die für sich sprach. Was die kleine Frau so an rohe Kraft aufbringen konnte, war wirklich gewaltig. Ansehen tat man es ihr zudem auch nicht, also hatte sie noch das Element der Überraschung auf ihrer Seite. Zwei Pluspunkte, die helfen würden, jeden Kampf für sich zu entscheiden. Aber er würde brav und gespannt abwarten, was sie so alles mit ihrer neuen Magie in ferner Zukunft anzurichten vermochte. Take Over Magier gehörte seines Wissens nach zu dem Bereich der Transformation, was er eigentlich nicht erwartet hatte. Vielmehr noch größere Waffen, irgendeine Nahkampfmagie, oder etwas anderes, was mehr zu der Ilia passte. Nun ja, man konnte eben nicht alles wissen oder vorhersagen.
Ja, im Grunde genommen hätte sich auch der Grynder gefragt, wo es hinging, wenn er, ohne ihm Bescheid zu sagen, in eine scheinbar völlig sinnlose Richtung gelaufen wäre. Sie hatte recht, das Meer und der Weg dorthin lag ganz woanders, nämlich beim Bahnhof der Stadt. Dort hätten sie einen Zug zu einer Hafenstadt nehmen müssen, wo sie dann zu einem Boot hätten umsteigen müssen. Doch da es wohl zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte, hatte Meister Gale eine andere Idee gehabt. Und hier kam der mysteriöse, zweite Zettel ins Spiel. Eigentlich wollte er es ihr ja verraten, viel spannender war es jedoch, sie zu überraschen, was zu folgender Antwort führte. "Warte noch ein kleines bisschen.", sagte er grinsend. "Gleich sind wir da und du wirst es mit eigenen Augen sehen können." Hierbei nahm er Kurs auf ein großes Haus, welches er nie zuvor betreten hatte. Die Weganweisung deutete jedoch genau darauf hin, also mussten sie hier richtig sein! Die Tür öffnete sich automatisch, sodass er in einen edlen Foyerbereich eintreten konnte. Sofort ging der rothaarige Magier zu dem älteren Herrn an der Rezeption, der sie aus skeptischen Augen heraus betrachtete, ganz so, als ob er fragen wollte, was zwei Leute wie Aurora und er hier drinnen machten. "Kann ich Ihnen helfen?", fragt er sehr höflich nach, als ob es sich bei den beiden Magiern um hohe Respektspersonen handeln würde. "Ich denke ja.", sagte der Grynder nur, kramte den zweiten Zettel aus der Tasche und überreichte ihm den älteren Herrn. Zwar setzte dieser einen vorwurfsvollen Blick auf, als er das zerknitterte Stück Papier zu Gesicht bekam, doch sagte er nichts sondern las ihn ausführlich. Als er fertig war, stand er auf und sprach zu ihnen. "Sehr wohl, dann folgen sie mir bitte." Ziel war der sich nahe befindliche magische Aufzug, mit welchem sie in Windeseile zum obersten Stock des Gebäudes fuhren. Dort angekommen eröffnete sich ihnen der Blick auf etwas wahrlich Wunderbares: Sie waren in einer großen Halle angekommen, welches einer Werkstatt nicht unähnlich sah. Und ganz in der Mitte befand sich ... ein Luftschiff! Es handelte sich hierbei um einen Prototyp eines gewöhnlichen Luftschiffes, welches etwas kleiner, dafür aber schneller und wendiger war, als sein großer Bruder. Das Gefährt, welches Meister Gale persönlich gehörte und ihnen für diese Mission anvertraut worden war. "Das ist unser heutiges Transportmittel.", kündigte Yuuki etwas großspurig lächelnd an, während er sich innerlich schon auf den kommenden Flug freute.

Oh, da hatte sie sich wohl verschätzt... wie peinlich. Offenbar musste es schlimmer gewesen sein, als sie erwartet hatte, denn um Yuuki zu so einem Urteil zu bringen, musste man wohl schon schwere Geschütze auffahren. Und ein Urteil war es sicherlich, von Aurora heimgesucht zu werden, denn auch wenn sie zeitweise bezaubernd und unschuldig wie ein Schulmädchen wirken konnte, so war sie auch in der Lage, ganz andere Seiten aufzuziehen. Aber das war gut, dann hatte sie nach der Quest ja was zu tun. Sie grinste still in sich hinein und folgte dem Rothaar weiter, bis sie vor einem recht großen Haus standen, welches kaum zu übersehen war. Noch hatte sie keine Ahnung, was er denn hier wollte, schließlich sollten sie ja wohl ans Meer fahren, um von da aus dann per Schiff zu der Insel vorzustoßen. Sie hätte also eher erwartet, dass sie mit dem Zug nach Hargeon Town fahren würden, das hätte allerdings wirklich etwas länger gedauert. Dabei hatte der Auftrag wohl nicht viel Zeit zum Rumliegen, denn die Überlebenden würden sicherlich nicht zahlreicher werden, wenn man sie längere Zeit auf einer einsamen Insel sitzen ließ. Wahrscheinlich gab es unter ihnen keine Magier und solche Inseln neigten nicht selten dazu, besonders gefährliche Tiere zu beheimaten. Wie sehr sie damit Recht hatte, konnte sie in diesem Moment ja noch nicht wissen, dennoch hatte sie im Gefühl, dass zu lange zu warten sicherlich ein Fehler sein würde. Also hatte Yuuki wahrscheinlich von Meister Gale irgendein anderes Transportmittel zur Verfügung gestellt bekommen, aber was das sein sollte, wenn es sich in so einem Gebäude befinden konnte, war ihr schleierhaft. Schon alleine, wie es hier drinnen aussah... sie wurde automatisch ein wenig kleiner, als sie durch die Eingangstür schritten, denn sie war sicherlich einiges gewöhnt, aber nicht solche Prahlerei und übertriebene Eleganz. Sie hatte kein Problem mit einer versifften Kneipe, aber das hier war ihr irgendwie viel zu piekfein. Deswegen fühlte sie sich auch mehr als schief angeguckt, als die beiden Magier eintraten, so sehr, dass sie kaum merklich hinter Yuuki zurückblieb, wobei sie ja eh keine Ahnung hatte, was sie hier sollten. Auch als der Mann sie schon so ansprach, als wolle er sie eigentlich nur herauskomplimentieren, hielt sie sich zurück, auch wenn er ihr maximal zuwider war. Die piekfeine Oberschicht, ja, ganz wunderbar. Welch ein Glück, dass Yuuki recht kompetent mit der Situation umzugehen wusste, sodass sie schon nach kurzer Zeit auf dem Weg zum obersten Stock waren, allerdings nicht über Treppen, sondern per Aufzug. Was es nicht alles gab. Es hätte Aurora wirklich nichts ausgemacht, Treppen zu steigen, nein, sie hätte es sogar begrüßt, denn wenn man ehrlich war... Aufzüge waren verdammt noch mal eng. Und wie eng sie wirklich waren, wurde ihr erst richtig bewusst, als sich die Türen öffneten und einen kleinen, verspiegelten Metallkasten entblößten, in den Aurora nun allen ernstes einsteigen sollte? Sonst noch was offen, mit Ausnahme der Tür? Sie hatte verdammt noch mal Enge Angst, warum vergaß man das nur so schnell, wenn man sah, zu was das Mädchen sonst noch so in der Lage war? Sie verzog leicht das Gesicht, aber machte dann ein paar zittrige Schritte in den Aufzug rein, was schon eher schwer auszuhalten war. Als sich die Türen dann aber auch noch schlossen und sich der Kasten in Bewegung setzte, merkte man ihr ziemlich deutlich an, dass sie das ganze nicht besonders mochte – immerhin krallte sie die Finger in die Jacke Yuukis und hatte das Auge fest zugepresst. Normalerweise ging sie ihre Ängste sehr offensiv an, aber sie konnte das Ding hier schlichtweg nicht zerstören. Halt, Korrektur, sie könnte schon, aber sie durfte es nicht. Immerhin war Lamia Scale dafür bekannt, dass sie so wenig Schaden wie möglich anrichteten und das würde nach einfachem Vandalismus aussehen, das würde Vandalismus sein. Außerdem war es wahrscheinlich eine Ehre, überhaupt hier zu sein, da würde es noch um ein vielfaches schlechter aussehen, wenn sie nun austicken würde. Auch wenn sie sich in diesem Moment ziemlich albern fühlte und als die Türen sich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder öffneten sofort raussprintete. Argh, das war ja so ärgerlich… und so schrecklich peinlich. "Gomen, Yuuki-kun…", entschuldigte sie sich mit leicht roten Wangen und drehte sich rasch wieder um, wo sie erst einmal verblüfft stehen blieb. Ein Luftschiff stand in dem großen Raum, etwas kleiner als die, die sie mal von weitem gesehen hatte, aber windschnittiger und sicherlich auch deutlich schneller. Ernsthaft, sie würden… fliegen?! Aurora hatte schon immer mal fliegen gewollt, seit sie klein war hatte sie die Vögel um ihre einzigartigen Fähigkeiten beneidet. Und nun sollte das so schnell gehen? Schon war das Ungemach des Fahrstuhls vergessen und sie strahlte geradezu. Kaum war der erste Augenblick jedoch abgeklungen, kam schon ein kleiner Mann mit kahlem Kopf, dafür umso buschigerem, orangenen Schnurrbart hinter dem Schiff hervor, einen dreckigen Lappen über der Schulter und etwas undefinierbares an den Händen, das ganz nach Maschinenöl aussah. "Wilchommen, Wilchommen!", begrüßte er die Neuankömmlinge herzlich. Den Akzent konnte Aurora nicht einordnen, aber sie ergriff die Hand trotz des Schmutzes, Himmel, das war ihr lieber als Sterilität. "Und ich seid die beiden Machier, die mit dem chuten Mädchen fliechen wollt'? da chönnt ihr euch aber chlücklich schätzen, so eine Lady chibbet nur ein Mal in chanz Fiore!"

Als die Aufzugtüren zugingen, dachte sich Yuuki nicht wirklich etwas dabei. Logisch, warum auch, so etwas war für ihn völlig normal. Aber sobald er spürte, wie von hinten feste nach seiner Jacke gegriffen wurde, schloss er schnell zwei und zwei zusammen und hätte sich dafür am Liebsten stöhnend an die Stirn geklatscht. Wie dumm und unbekümmert er doch gewesen war, während er sich freute, einen Aufzug fahren zu dürfen, mit welchem sie ihren Weg schnell hinter sich bringen konnten. Ihm war total entfallen, dass die Ilia unter Claustrophobie litt, also der Angst vor engen Räumen. In letzter Zeit schien sie es deutlich besser unter Kontrolle zu haben, was wohl auch der Grund dafür gewesen war, dass er diesen Fakt in diesem Moment vergessen hatte. Schließlich hatte sie die Zugfahrten nicht mehr mit dem Oberkörper aus dem Fenster und an der frischen Luft verbracht, nein. Mittlerweile vermochte sie auch in dem Abteil selbst zu sitzen und sich mit dem Grynder sogar unterhalten, ohne völlig durchzudrehen. Zugegeben, damals war jedoch das Fenster offen gewesen. Hier und jetzt aber, in einem engen Aufzug, der für kaum mehr als vier oder fünf Personen entworfen war, sah die ganze Sache ganz anders aus. Yuuki wusste, was zu tun war. Gewiss, er sprach keine tröstenden Worte für das Mädchen aus oder nahm sie gar in den Arm, um ihr zu signalisieren, dass sie nichts zu fürchten brauchte. Stattdessen machte er unauffällig einen kleinen Schritt zu Seite, damit der Angestellte, sollte er sich zu den beiden Jugendlichen umdrehen, keinen Blick auf Aurora und ihren jetzigen Zustand werfen konnte. Schwäche durfte man lediglich jenen gegenüber zeigen, denen man vertraute. Alles andere vermochte sich nachteilig auszuwirken, weshalb der Rotschopf eben so handelte. Aber sie brauchte sich doch nicht zu entschuldigen, für so was waren Freunde da, und mochte man noch so unterschiedlich sein. Mit einem leichten Lächeln winkte er ab, schließlich hatte sie ihm unverhohlen angeboten, die Missetäter für seinen Geburtstag ordentlich aufzumischen.
Nun konnte auch er einen genaueren Blick auf die Werkstatt werfen und irgendwie gefiel ihm der Anblick. Nicht nur das majestätische Schiff, der ganze Raum an sich war voller Monturen, verstreuten Werkzeugen und Ölflecken. So etwas würde er auch bald bei sich zu Hause einrichten, im Erdgeschoss befand sich sowieso ein großer und ungenutzter Raum. Und ehe dieser weiter vor sich hin gammeln würde, konnte er daher genauso gut als Werkstatt fungieren. Das war notwendig, um sein geheimes und zukünftiges Projekt in Angriff zu nehmen, von dem er noch niemandem – selbst Aurora nicht – erzählt hatte. Dies konnte ihm dann auch dienlich sein, sobald er endlich die Informationen über den Aufenthaltsort seines Bruders in den Händen hielt. Ganz genau, das wird mein neues Arbeitszimmer, indem ich alle weiteren Schritte meiner Reise planen kann, dachte er ziemlich selbstzufrieden. Doch um das zu erreichen, musste er zunächst ein Mal die heutige Quest mit Bravour abschließen und sich beweisen. In diesem Augenblick trat ein kleiner, untersetzter Mann mit orangefarbenem Haar hinter dem Schiff hervor und eilte eilig tapsend auf die beiden Magier zu. Sein brauner Mechanikeranzug war völlig mit Öl verschmutzt und dementsprechend waren auch seine ganzen Hände bekleckert. Nur widerwillig schüttelte der Rotschopf dem kleinen Mann die Hand, wobei er sich kurz daraufhin sofort nach einem Lappen zum Abwischen umschaute. Der Gute besaß auch einen ordentlichen Akzent, der ihm nie zuvor zu Ohren gekommen war. Womöglich war er ja Ausländer oder so etwas in der Art. "Chi ist enorm chnell mücht ihr wichen.", führ er glückliche seine Erklärung über das Schiff fort. Und das hätte er wohl noch eine ganze Weile getan, hätte sich der ältere Herr bei ihnen nicht laut geräuspert und auf diese Weise die Aufmerksamkeit einer weiteren Person geweckt. Eine Frau mittleren Alters und in einem engen Fliegeranzug tauchte ebenfalls hinter dem Schiff hervor, doch anders als der kleine, geschwätzige Mann, hatte sie einen etwas überheblichen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Dass sie Aurora und ihn ungläubig musterte und anschließend aufschnaubte, machte die Sache keinesfalls besser. Ohne ein Wort von sich zu geben, trat sie zu ihnen heran, schnappte sich den Zettel aus den alten Händen des Mannes und begann ihn zu lesen. Als sie zu Ende war, zerknitterte sie ihn ganz offensichtlich schlecht gelaunt und raunzte alle Anwesenden an. "Los einsteigen, oder wollt ihr hier Wurzeln schlagen?!" "Chofort!", ertönte es pflichtbewusst vom kleinen Mann, der noch hastig einige Sachen mit an Bord nahm. Die Pilotin selbst ging schnurstracks zum Schiff zurück, während sie einiges vor sich hin murmelte. Manche Sachen, die sie sagte, bekam man mit, andere wiederum jedoch nicht. "Was denkt sich dieser alte Narr dabei?", war eine der Sachen, welche der Grynder jedoch mit bekam. Wen sie wohl damit meinte? Den älteren Angestellten oder gar Meister Gale? Das wäre ja eine ziemliche Frechheit.
Schnell ging ihr der junge Magier nach und trat in das Schiff ein, wobei er das Innere bewunderte. Überhaupt war er noch nie mit einem Luftschiff geflogen, das war sein erstes Mal und dabei noch so ein schmuckes Stück! Sie hatten wirklich Glück gehabt. Ihr Gildenmeister musste wirklich einflussreich und vermögend sein, wenn er ein solches Prachtstück sein Eigen nennen konnte. In dem großen Hauptraum waren viele Sitze angebracht, was durchaus wichtig war, immerhin mussten sie noch mindestens gut ein Dutzend Leute mitnehmen. Den Komfort und die weichen Sitze genießend, während er sich in einen fallen ließ, spürte er die Maschine vibrieren, als die Motoren starteten. Wahrscheinlich wurde das gute Stück von leistungsstarken Lachrymakristallen betrieben, ebenfalls etwas, was auf seiner Einkaufsliste für sein Projekt stand. Was aber viel wichtiger war, jetzt, wo sich keine andere Person bei ihnen befand, konnte man in aller Ruhe ein Gespräch anfangen. "Sag mal Aurora, erinnerst du dich noch an das, was ich dir über meinen Bruder erzählt hatte? Was weißt du denn alles noch?" Bevor er wirklich mit seinen Informationen über dessen Aufenthaltsort rausrücken konnte, wollte er erst einmal sicherstellen, dass die Ilia auch auf dem neusten Stand der Dinge war.

Dass Yuuki sie vor den Blicken des hochnäsigen Kerls abschirmte, rechnete Aurora ihm hoch an. Es lag nicht daran, dass sie Angst vor ihm hatte oder so, nein, es war ihr einfach ein wenig peinlich, dass sie mit so etwas wie einem Aufzug nicht fertig wurde, aber dafür gegenüber fast allem anderen furchtlos war. Einmal abgesehen von Situationen, in denen sie gezwungen war, nicht gegen ihre zweite Phobie vorzugehen, hasste sie es am meisten, wenn man ihre Schwäche sah, denn nicht nur wusste man dann, wie man sie einfacher besiegen konnte, nein, es war ihr einfach sehr unangenehm. Es war ja nicht so, als wüsste sie nicht, dass ihr der verdammte Fahrstuhl kein Haar krümmen konnte, aber ihr Körper spielte ihrem Gehirn einfach einen Streich. Körper: Enge! Ahhh, Enge, du wirst steeeerben! Hirn: Verdammt, hab dich nicht so du Waschlappen, das ist nur ein Fahrstuhl! Körper: Tod! Sterben! Tooooooooooood! Und leider konnte man keine ordentliche Diskussion mit etwas führen, das nicht dazu in der Lage war, ordentliche Argumente vorzubringen, die über Todesdrohungen und Gekreische hinaus gingen. So gewann leider gemäß dem Satz „Der Klügere gibt nach“ stets der Körper und Aurora hatte Probleme damit, die Fassung zu bewahren, Das musste ihrer Meinung nach aber nicht jeder wissen, weswegen es sehr hilfreich gewesen war, dass Yuuki das versteckt hatte. Irgendwie war es lustig, den kleinen Mann dabei zu beobachten, wie er von dem Luftschiff schwärmte, er war Aurora richtiggehend sympathisch, nachdem sie den hochnäsigen Mann aus der Empfangshalle hinter sich gelassen hatte. Wie seine kleinen Äuglein strahlten, als er sich in die Beschreibung des technischen Meisterwerks hineinsteigerte, die Art, wie er über seinen Schnauzbart strich, so zufrieden mit sich und der Welt, dass er vollkommen außer Acht ließ, dass er sich Öl in den Bart und es den Gästen an die Hand schmierte. Er hatte etwas entrücktes, beinahe nicht von dieser Welt und es berührte das Mädchen, wenn auch auf eine Art und Weise, wie sie die Verspieltheit kleiner Kinder berührte. Jedenfalls gefiel ihr diese Art der Leidenschaft für die Technik besser als das feine Getue da unten. Es war wichtig, fand Aurora, dass man für eine Sache im Leben Leidenschaft aufbringen konnte, bei ihm war es die Technik, bei ihr selbst waren es Waffen. So waren die Menschen eben gestrickt, aber emotionslos an alles heran zu gehen, fand sie irgendwie falsch. Ihren Vater konnte man zwar als kalte Person beschrieben, aber wenn er erst einmal anfing, darüber zu reden, wie die Welt seiner Meinung nach aussehen sollte, dann merkte man, dass tief in seinem Herzen ein Feuer loderte, wenn auch von Rachsucht und Neid genährt. Dieses Feuer konnte man manchmal bei Yuuki vermissen, fand sie, aber dann gab es wieder Momente, in denen es sich deutlich zeigte. Vielleicht war das auch die bessere Version des ganzen, sie trug ihr Herz ja auch nicht auf der Stirn. Aber kaum hatte sich die Gesellschaft verbessert, sank sie auch schon wieder um hundert Prozent, als nämlich die Pilotin des Schiffes auftrat und Aurora sofort auf die Nerven ging. Wow, wie konnte man eigentlich so viel von sich selbst halten, dass man mit derart hochnäsiger Miene herum lief? Und schon wieder wurden die beiden Magier angeguckt, als seien sie Kinder… sie blinzelte ein wenig ärgerlich und verzog die Lippen dennoch zu einem grimmigen Lächeln. Das würde sie ändern, sie ließ sich nicht so behandeln und wenn sie es richtig anstellte, würde man annehmen, dass sie sich darüber aufregte, dass die Frau den Meister der Gilde schlecht geredet hatte. Sie konnte ihn zwar auch nicht besonders leiden, aber ein starker Magier war er in jedem Falle, so stark, dass er sie innerhalb von Sekunden plätten könnte, da war sie sich sicher. Also musste sie wenigstens Respekt vor ihm haben, ob sie ihn nun stürzen wollte oder nicht. Das musste schon sein. "Ich weiß auch nicht, was sich dieser alte Narr dabei denkt…", meinte sie schulterzuckend, während sie betont lässig in Richtung Luftschiff stolzierte und dabei überhaupt nicht die Pilotin imitierte, sich die Frisur richtete und mit einem "Hach!" ins Schiff stieg.
Neidlos musste man zugestehen, dass dieses Vehikel deutlich geräumiger war, als sie erwartet hatte. Zudem sah es auch noch gut aus und roch nach frischem Leder. Nun wieder in normaler Bewegung machte sie es sich auf einem der Sitze bequem und wartete darauf, dass Yuuki sich ebenfalls setzte. Währenddessen begann die Maschine zu starten und sandte angenehme Vibrationen durch das ganze Gefährt. Doch, sie mochte das Luftschiff, warum hatte sie so etwas eigentlich nicht? "Er ist ungefähr drei Jahre älter als du, sieht etwa aus wie du und ist an seinem achtzehnten Geburtstag aus irgendeinem ominösen Grund auf Wanderschaft gegangen, mehr aber auch nicht. Aber was hat dein Bruder mit dieser Quest zu tun?"

Dass Aurora über einen ausgeprägten Sinn für Humor verfügte, das wusste Yuuki. Schließlich war er manchmal eben Ziel dieses, und da er wusste, dass sie das meiste Gesagte in dieser Form nicht Ernst meinte, konnte er auch darüber lachen. Sofern er es mitbekam, versteht sich. Dass sie aber dermaßen in der Schauspielkunst bewandert war, das hätte er nun aber wirklich nicht vermutet. Eine wirklich gute Imitation, welche er leider nur aus den Augenwinkeln mitbekam, als er in das Schiff einstieg, da die Ilia hinter ihm war. Tja, mit ihr hatten sie sich bestimmt nicht zum letzten Mal herumgeschlagen, hatten sie doch noch einen ganze Quest mit ihr vor sich. Wobei man von herumschlagen nicht wirklich sprechen konnte, schließlich war es noch nicht zu einer Auseinandersetzung gekommen. Dass es aber irgendwann so weit sein konnte, das wusste er mit Gewissheit. Dass er hierbei auf seine Partnerin schaute, war natürlich kein Zufall. Wenn die hochnäsige Pilotin es schaffte, jemanden zu provozieren, dann war es Aurora. Er hatte mal mit ansehen dürfen, wie sie einem Söldner ihren Dreizack in den Schritt gerammt hatte, wirklich kein schöner Anblick. Dann blieb einfach mal abzuwarten und hoffen, dass sich die Gute am Riemen hielt und eben auf keine der Provokationen einging. Dieser Auftrag war ja von höchster Bedeutung und Wichtigkeit für den Grynder, das durfte und sollte man nicht vergessen.
Etwas verblüfft schaute er seine beste Freundin an, während er abwog, ob es wirklich möglich war, dass sie so wenig über den Fall ihres Bruders wusste. Dies warf wiederum die Frage in ihm auf, ob er ihr lediglich von Riza und ihrem ... nun ja, Ableben erzählt hatte. Anscheinend schon, sonst hätte das Mädchen gewiss nicht Gegenteiliges behauptet. Ihr Informationsstand entsprach dem allgemeinen Wissensgrad der Gildenmitglieder, es war also nichts Besonderes. Viele Leute waren der Ansicht, dass es mit Roys Reise nichts Ungewöhnliches auf sich hatte, vielleicht wollte er ja den Sinn des Lebens herausfinden. Dass der rothaarige junge Mann über solche Äußerungen nur den Kopf schütteln konnte, sollte ja klar sein. Wie naiv manche Leute doch sein konnten. Naiv oder dumm, eines von beiden traf meistens zu. Dann blieb ihm nichts Anderes übrig, als Aurora auf den Stand jener Auserwählten zu bringen, denen sich sein älterer Bruder anvertraut hatte. Aber damit sie alles wirklich verstand, musste er wohl noch ein wenig ausholen und bei seinen Eltern anfangen, immerhin waren sie der Grund, warum Ryo überhaupt erst aufbrechen musste. "Damit du es verstehst, muss ich ein wenig ausholen. Und keine Sorge, am Ende solltest du erkennen können, was mein Bruder mit diesem Auftrag hier zu tun hat und warum er so wichtig für mich ist." Während alles für den Start des Luftschiffes vorbereitet wurde, konnte man die Stimme der Pilotin leise, aber dennoch deutlich vernehmen. Was für ein Sprachorgan aber auch! Wenn man sie wirklich hier hinten hören konnte, dann sprach sie alles andere als leise. Na das dürfte noch eine tolle Reise werden. Wie sagte man so schön, wenn man sich etwas wünschte und ganz innig hoffte, dass es eintraf, geschah meistens das Gegenteil. Eine viel zugänglichere und ruhigere Person wäre ihm als Pilot durchaus besser gekommen. Zurück zu seiner Lebensgeschichte, man wollte ja niemanden unnötig warten lassen. "Eines Tages, als ich noch klein war, verschwanden meine Eltern spurlos und hinterließen uns keine Nachricht. Es hatte anscheinend etwas mit ihrer Arbeit zu tun, doch weil ich damals noch so jung war, erinnere ich mich nicht mehr richtig daran. Aus diesem Grund lebte ich all die Jahre über mit meinem Bruder und trat schließlich – wegen ihm, da er schon längere Zeit Mitglied war – Lamia Scale bei." Und somit war auch der geheimnisvolle Grund gelüftet worden, aus welchem Grund der Jüngste der Grynder der Gilde überhaupt beigetreten war. Riza würde er hierbei völlig aus der Geschichte halten. Zwar hatte sie im Grunde genommen auch etwas damit zu tun, aber das tat jetzt nichts zur Sache. "Als Ryo schließlich 18 wurde, entschloss er sich auf die Suche nach unseren Eltern zu machen. Das war vor etwa vier Jahren.", fügte Yuuki hinzu, während er zur Decke sah. Irgendwie fiel es einem dennoch schwer, darüber zu, wie er nun feststellen durfte. "Vor einem Dreivierteljahr brach schließlich der Kontakt zu ihm ab, den wir über die Zeit aufrecht erhalten hatten. Scheinbar hatte er eine Spur aufgenommen und hatte die Grenzen Fiores längst überschritten." Ein angenehmes Vibrieren durchfuhr das Schiff, sodass sich der Rotschopf einfach umdrehen und nach draußen schauen musste. Sie hoben endlich ab! Sich gemächlich wieder umdrehend, fuhr er seine Geschichte fort. "Wie es scheint, hat aber Meister Gale nun Informationen über ihn und seinen Aufenthaltsort erhalten, weshalb er mich vorhin in sein Büro riefen ließ. Diese Info über Ryo scheint aber gefährlich und hochklassifiziert zu sein, weshalb er mich erst mal prüfen will, ob ich dem auch wirklich gewachsen bin. Womit wir dann bei diesem Auftrag wären.", beendete er seinen etwas länger als geplanten Vortrag und zeigte auf das Luftschiff. "Führe ich ihn erfolgreich aus, erhalte ich, was ich so dringend brauche. Wenn nicht, dann nicht." So, das wars aber nun endgültig von ihm. Eigentlich konnte er diesen Text schon als Beleidigung ansehen, immerhin war er ein stolzer Magier Lamia Scales, der bisher mit allem fertig geworden war, was ihm vor den Weg getreten war. Am gefährlichsten war sicherlich der Lich gewesen, doch sie Aurora und er hatten überlebt. Dann gab es noch diesen ominösen Magier mit seiner mächtigen Eismagie, doch sie hatten überlebt. Die wirkliche Frage war doch vielmehr, ob die Ilia seine Geschichte kommentieren oder sie mit einem simplen "Aha" abtun würde.

"Aha."
Ein recht simpler Kommentar, den man vielleicht sogar sofort mit Desinteresse in Verbindung bringen würde. Tatsächlich aber hatte Aurora genau zugehört und versucht, sich das alles so vorzustellen, wie Yuuki es erzählte. Wenn jemand etwas erzählte, was auch nur annähernd an eine Geschichte erinnerte, konnte man sich sicher sein, dass die Ilia zuhörte, da sie diese über vieles liebte. Sie könnte Geschichtenerzählern stundenlang zuhören, weil sie selbst diese Gabe so überhaupt nicht besaß und auch wenn es sich dabei um eine Erklärung handelte, so hatte sie schon wieder etwas spannendes. Sie hatte schon früh bemerkt, dass der Junge gut Geschichten erzählen konnte, auch so eine Sache, die sie an ihm schätzte. Allerdings offenbar nicht nur Schlachtenbeschreibungen, sondern auch persönliche Erlebnisse, denn das was er ihr da über seinen Bruder erzählte, klang doch schon wieder wie ein Epos mit ungewissem Ausgang. Was sie allerdings ziemlich ärgerte, war, dass Meister Gale dem Jungen die so sehr begehrten Informationen nicht zukommen ließ, sondern ihn zuerst "prüfen" wollte... ihrer Meinung nach hatte er doch schon genug geschafft, um als erfahrener gelten zu können. Selbst ein Lich, ein Untotenkönig, hatte die beiden nicht aufhalten können - wobei man ja auch zugeben musste, dass das nicht unbedingt ihrem Können, sondern der Kampfkraft eines Hauptmannes zu verdanken war. Wenn sie so drüber nachdachte, in ihrem jetzigen Trainingszustand hätte sie dem Skelett sicherlich mit Freuden den Schädel gespalten und es hätte sogar funktioniert. Sie war ja irgendwie immer noch ganz scharf auf dieses magische Schwert, welches sie damals benutzt hatte. Dennoch! Wieso musste das Rothaar erst Überlebende von einer Insel picken, um dann wichtige familiäre Angelegenheiten regeln zu können? Sie hatte zwar keine wirklich Familie, aber konnte sich beinahe vorstellen, dass es ihm ziemlich unter den Nägeln brennen musste, mehr über seinen Bruder zu erfahren. Bei Aurora war es zwar umgekehrt, sie wollte lieber gar nicht wissen, ob ihre Mutter überhaupt noch lebte, aber dafür wollte sie eigentlich immer wissen, was ihr Vater gerade tat und wie es ihm ging. Dieser Mann hatte ihr nämlich das Leben geschenkt, welches sie momentan führte, sie fühlte sich von ihm gut behandelt und liebte ihn deswegen. Dass er sie eigentlich nur ausnutzte war ihr nun einmal nicht bewusst und da sie niemandem von ihrem Vater erzählte, konnte sie auch niemand darauf aufmerksam machen. Jedenfalls, egal ob diese Informationen gefährlich oder nicht waren, Yuuki sollte sie bekommen. Also musste sie sich eben noch mehr anstrengen, einen Grund hatte sie dafür nun ja. Sie würde zudem aufgrund der Einschätzung dieser Quest nicht nur an das nötige Geld kommen, sondern auch an ein wenig mehr Ansehen, welches sie am Ende sicherlich brauchen würde. "Meister Gale ist gemein.", stellte sie schlicht fest und lächelte, "Dann führen wir diese Quest eben mustergültig zu Ende, dann kann er ja nicht anders als dir das geben, was du willst." Und so wie sie es sagte, meinte sie das auch. Eigentlich war sie immer darauf bedacht, sich keinen Fehler zu erlauben, denn jedes Versagen würde sich negativ auf ihre Bilanz auswirken, mit diesem Anreiz würde sie sich sogar noch mehr abverlangen. Das konnte sie aber auch, denn obwohl es sich bei ihr um ein kleines Mädchen handelte, so wohnte genau diesem große Kraft inne. Nicht nur körperlich, sondern auch geistig, Sturheit und ein Dickschädel, gepaart mit der Kraft, Bäume auszurupfen, war eine tödliche Mischung. Auch wenn sie ja nur Überlebende einsammeln musste... da würde es doch sicherlich kaum zu kämpfen kommen, oder? "Wir müssen ja nur ein paar Überlebende retten, wie schwer kann das schon werden? Wie machen wir das eigentlich, bleibt das Luftschiff solange auch auf der Insel oder holt es uns dann ab?" Sie wollte schon einmal wissen, worauf sie sich einstellen musste, wie lange sie dableiben würden und ähnliches. Sie hatte zwar kein Problem mit dem Übernachten in freier Natur - gar nicht, da gab es keine störenden Decken! - aber wenn es wilde Tiere geben würde, dann würde das eher eine Strapaze werden.

Gemein hatte Meister Gale jetzt nicht wirklich auf Yuuki gewirkt, doch war er sehr froh zu hören, dass seine Freundin auf seiner Seite war. Seiner Meinung nach hätte dieser Text auch nicht unbedingt sein müssen, immerhin hatte er schon oft bewiesen, was er auf dem Kasten hatte. Und zusammen mit Aurora hatte er noch jede Aufgabe bewältigt, derer sie sich angenommen hatten, da sollte doch eine Rettungsaktion nicht allzu schwer ausfallen. Naja, aber was konnte er schon anderes tun, als sich zu fügen? Keineswegs befand er sich hoch genug in der Hierarchie, um etwas gegen die Entscheidung des Meisters zu tun oder sie gar zu umgehen. In diesem Moment startete das Schiff mit einem lauten Brummen, was die ganzen Insassen von einer Vibrationswelle durchströmen ließ. Irgendwie lustig, so wie der Sessel vibrierte. Er konnte sogar seine Zähne klappern hören! Doch dieser Zustand dauerte leider nicht lange an, und sobald sie senkrecht abgehoben waren und sich etwa 20 Meter über Hosenka Town befanden, schaltete die Pilotin die Düsen aus und ließ das Haupttriebwerk aufheulen. Ein einziger Ruck, und schon befanden sie sich in Bewegung. Der Grynder konnte gar nicht anders, als aus dem Schaufenster schauen und die Landschaft dort am Boden betrachten, die langsam an ihnen vorbeizog. Von hier oben sah die Aussicht wirklich fantastisch aus und ließ sich keineswegs mit einer solchen aus einem Zug oder eines anderen Gefährts am Boden vergleichen. Das Tempo schätzte er jedoch maximal so schnell wie einen Zug ein, immerhin verschlang das Luftschiff schon immense Mana allein dadurch, in der Luft zu schweben. Da hatten die Techniker gewiss bei der Beschleunigung und Geschwindigkeit knausern müssen. "Ich glaube auch nicht, dass es so schwer werden wird.", antwortete er seiner Partnerin lächeln. Wie schwer konnte es schließlich schon sein, einige dankbare Passagiere aufzulesen, die auf einer Insel abgestürzt waren? Ja, gewiss mochte der eine oder andere von dem Absturz traumatisiert oder vielleicht sogar verletzt worden sein, doch das würde gewiss nicht gefährlich und schwer werden. Wie sehr er sich irren sollte ... "Soweit ich weiß, wird das Luftschiff an einer geeigneten Stelle landen und dort verharren, bis wir mit allen Überlebenden zurück sind. Je nach Klassifizierung der Insel, die wir übrigens auch feststellen sollen, werden sie die Motoren ganz ausschalten oder sie laufen lassen, damit sie startbereit sind." Inseln und Gebiete ließen sich ganz einfach klassifizieren, es existierte Stufe I bis Stufe V. I bedeutete natürlich sehr ungefährlich, keine Raubtiere und Ähnliches, während V-er Gebiete ziemlich selten und vor allem tödlich waren. Menschen und sogar die meisten Magier mieden Klasse V Gebiete, da es einfach zu gefährlich war. Das Drachental von Zonia was beispielsweise mit Abstand das bekannteste Klasse V Gebiet, welche nur die erfahrensten Magier zu betreten trauten. Wenn sie Glück hatten, würde es nur eine Klasse II oder unter ganz extremen Umständen eine Klasse III Insel sein, alles darüber konnte sich als durchaus problematisch erweisen. Aber so weit würde es gewiss nicht kommen. Mit einem lauten Knacken erwachten die Lautsprecher zum Leben, sodass man die genervte Stimme der Pilotin klar und deutlich vernehmen konnte.

"An die Magier, wir sind erfolgreich gestartet und befinden uns nun auf dem Weg zu unserem Zielgebiet. Das Wetter ist klar und ruhig, sodass wir keine Probleme beim Flug haben sollten. Weiterhin werden wir erst in ein paar Stunden da sein, deshalb hoffe ich, dass ihr für euch selbst sorgen könnt und so klug wart, Proviant mitzubringen. Von mir gibt es nämlich nichts. Solange ihr mir nicht in die Quere kommt, komme ich auch euch nicht in die Quere. Das wars schon."

Und dann knackte es erneut und die Lautsprecher gingen aus. Nette Frau. Wenn das so harmonisch weiterging, konnte sich der Rotschopf gewiss vorstellen, in Zukunft öfters mit ihr zu arbeiten. Hey Aurora, was war denn das gefährlichste Gebiet, in welchem du dich mal befunden hast? Irgendwie schätzte der junge Mann seine Partnerin so ein, dass sie gewiss weniger Probleme mit dem Klasse III Gebiet letztens gehabt hätte, als er selbst. Mit Müh und Not war er noch mal davon gekommen, wäre er kein Magier gewesen, dann hätte es ein Problem gegeben und er wäre bereits nach zehn Minuten gestorben. Sobald ihnen der Gesprächsstoff ausging, würde er vermutlich ein kleines Nickerchen halten, da sie sowieso genügend Zeit hatten. Eine halbe Stunde vor dem Landeanflug würde er mit dem Vorbereiten und der Aufwärmung anfangen – in der Tat, er nahm die Sache ernster, als manch anderer sie genommen hätte – sodass er bereit war, die Insel zu erkundigen. Doch zuvor gab es noch etwas Wichtiges, um das er sich kümmern musste. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck kramte der Grynder in seiner Reisetasche herum, ehe er einen nahrhaften Rationsriegel gefunden hatte, den er nun öffnete und genüsslich zu sich nahm. "Magst du auch was Essen?", fragte er die Ilia und hielt ihr einen Riegel hin? Ananas hatte er jetzt leider nicht dabei, aber vielleicht begnügte sie sich ja auch mit Trockenfutter.

"Oh wow, ich habe ja solche Angst, dass sie mir in die Quere kommen könnte...", meinte Aurora halb ärgerlich, halb ironisch, "Am Ende breche ich mir noch den Fingernagel ab, während ich sie an die Wand schnipse..." Was sich diese Frau alles erlaubte, war wirklich die Höhe. Ob sie wohl immer noch so ein Mundwerk hätte, wenn sie gewusst hätte, dass die beiden Jugendlichen nicht nur das, sondern auch ziemlich starke Magier waren? Im Falle Auroras war ihr Kommentar nämlich nicht etwa übertrieben gewesen, nein - das könnte wirklich passieren. Deswegen schlug sie, wenn sie denn mit voller Kraft zuschlug, meistens mit einem Panzerhandschuh zu, weil sie sich sonst ihre Hände verletzen könnte. Tatsächlich war es nämlich recht problematisch, viel stärker zu sein, als ihr eigener Körper das im Allgemeinen aushielt. Sie mochte Felsen zerspalten können, aber wenn man sie nur böse genug traf, dann ging sie wahrscheinlich mindestens genauso schnell k.o. wie Yuuki, obwohl der ja eher auf seine Magie trainiert schien. Ein kleines Mädchen, man entferne die Kraft und man hatte ein wehrloses Geschöpf - aber das konnte sie ja angemessen wett machen, indem sie sich einfach in Metall hüllte. Yuuki dagegen hatte nicht mal das, wenn es hart auf hart kommen würde, dann müsste man ihm wohl aus der Patsche helfen. Na ja, wahrscheinlich würde diese Quest eh ein besserer Spaziergang werden... öhm... ehrlich gesagt konnte sie gar nicht sagen, auf welchen Gebieten sie sich in dieser Hinsicht schon befunden hatte. Irgendwie war sie, was das anging, nicht halb so sehr bewandert wie Yuuki, dafür allerdings würde sie wohl tatsächlich länger aushalten können. Immerhin brauchte er Metall, um seine Magie nutzen zu können, während sie nur ihre Hände brauchte. Nicht mal die, ein Tritt war wohl noch stärker, wenn man es recht bedachte. Beim Treten war nur immer das Problem, dass Aurora nun einmal Röcke anhatte, die doch recht schnell hochfliegen konnten, wenn man eine gewisse Höhe erreichen wollte - und leider gehörte sie nicht zu den größten Menschen Fiores. "Ich weiß es nicht.", meinte sie wahrheitsgemäß, "Bis gerade wusste ich nichtmal, dass so eine Klassifizierung überhaupt gibt. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich so schnell in einem hochklassifizierten Gebiet sterbe, zur Not fällt mir sicherlich noch was ein." Oder sie würde sich einfach mit dem Kopf durch die Wand schlagen, meistens funktionierte das sogar. Nach einer Weile packte Yuuki sein Essen aus und Aurora hätte sich in den Hintern beißen mögen, als sie wusste, dass sie wohl was vergessen hatte: Essen nämlich. So eine Taschendimension war wirklich fabelhaft, allerdings war sie leider recht selektiv und Auroras war eben nur auf Kleidung und Waffen geeicht. Etwas zu essen konnte sie also nicht per Magie mit sich herumführen und hatte es deswegen total vergessen. Da kam es ihr gerade Recht, dass er ihr etwas zu essen anbot, denn mit leerem Magen ließ es sich auch schlecht herumrennen. "Ah... wäre nett. Hab ich wohl was vergessen, zu dumm aber auch..." Leicht verlegen grinste sie und nahm den Rationsriegel dankend an. Ihre erklärte Leibspeise war zwar Ananas, aber das bedeutete nicht, dass sie besonders viel davon aß, denn wenn sie sich die überessen würde, wäre es doch eine Schande.
Interessiert blickte sie aus dem Fenster und beobachtete die Landschaft, die unter ihr dahin flitzte. Sie hatte schon immer einmal fliegen wollen und nun saß sie in einem fliegenden Schiff, das war toll! Am liebsten hätte sie sich die Nase an der Scheibe platt gedrückt, aber das tat sie dann doch nicht, viel zu kindisch. Dennoch konnte man ihr die Begeisterung von der Nasenspitze ablesen und aus dem strahlenden Auge natürlich. "Bist du schon mal geflogen, Yuuki-kun?", fragte sie nach einer Weile und blickte zu ihrem Gildengenossen herüber.

Wirklich seltsam, dabei hatte er gedacht, dass das Klassifizierungssystem allgemein bekannt war. Eines sollte man jedoch wissen, keinesfalls wurden Gebiete wie Dörfer oder Städte klassifiziert, lediglich die Wildnis erhielt diese Ehre. Damit sollte verhindert werden, dass sich Wanderer versehentlich in gefährliche Gebiete verirrten und dementsprechend verunglückten. In den höher klassifizierten Gebieten befanden sich für gewöhnlich auch keine Ansammlungen von Menschen, da es für sie einfach zu gefährlich war. Lediglich einige mächtige Individuen können dort überleben und sie sind fernab von jeglicher Zivilisation. Je höher die Klasse ist, desto gefährlicher und mächtiger sind die Monster und Wesen, die dort hausen. An sich war es ein sehr einfaches System, weshalb er es als seine Pflicht ansah, seine Partnerin darüber aufzuklären. Dann würde sie in Zukunft Bescheid wissen und konnte solche Gebiete und Situationen selbst einschätzen. Zunächst ein Mal überreichte er ihr jedoch den Rationsriegel. Sie durfte sich dessen sehr geehrt fühlen, denn für gewöhnlich teilte Yuuki mit niemandem sein Essen. Es waren gerade mal eine Handvoll Leute, die in den Genuss kamen, von ihm etwas zu bekommen und zu Auroras Glück, war sie eben eine der wenigen Glücklichen. Ehe er jedoch mit der Aufklärung beginnen konnte, schnappte er sich einen zweiten Riegel und begann diesen zu essen. "Also du musst wissen, Gebiete werden nach einem Nummernsystem klassifiziert, je nachdem wie gefährlich sie sind. Dabei gehen die Zahlen von I bis V, wobei I für ungefährlich steht und V für tödliche Gefahr." So, das war erst mal die Grundinformation, am besten sollte er das Ganze mit Beispielen ausbauen, damit sie auch etwas damit anfangen konnte. "Klasse I bedeutet, dass gar keine gefährlichen Raubtiere vorhanden sind. Klasse II heißt, dass es normale Landraubtiere gibt, beispielsweise Löwen oder Wölfe. Ab Klasse III wir des interessant, denn hier treten magische Geschöpfe auf den Plan. Klasse IV ist schon extremst gefährlich, viele der mächtigsten Bestien hier in Fiore leben in solchen Gebieten. Zum Glück gibt es aber nicht zu viele davon.", fügte er noch lächelnd an. Damit war er nun an das fünfte und letzte Gebiet angelangt. "Klasse V gibt es nur wenige Male in Fiore, es wurde meines Wissens nach lediglich zwei Mal erteilt. Eines davon solltest du kennen, das Drachental von Zonia." Das stimmte, davon hatten die meisten Bewohner gehört. Nahe einem Vulkan befand sich ein schwer zugängliches Gebiet, welches über und über mit Drachen bewohnt war, den wahrlich mächtigsten Geschöpfen der Welt. Dabei handelte es sich um "normale" Drachen wie Hydras oder Wyvern, die an sich ja schon gefährlich genug waren. Trotzdem gab es Gerüchte, dass der Urdrache des Feuers, Igneel, seinen Sitz in dem Vulkan hatte. Ob dies jedoch der Wahrheit entsprach, konnte so gut wie niemand sagen, da das Gebiet eben eine Todeszone war. Nur die wenigsten und mächtigsten Magier konnten einen Trip dadurch überleben und das auch nur, wenn sie vorsichtig und wachsam genug waren. Gegen so einen kleinen, süßen Hausdrachen hätte er ja nichts, aber ein ausgewachsener Drache war so ungefähr das Schlimmste, was einem über den Weg laufen konnte.
Genau wie die Ilia, schaute auch der Grynder aus dem Fenster und genoss die Landschaft unter sich. So hatte er noch nie zu reißen gepflegt, auch bei ihm handelte es sich um den Jungfernflug. Dementsprechend war er auch nicht wirklich überrascht, als er von ihr darüber gefragt wurde. "Nein, das ist das erste Mal, das ich fliege. Irgendwie finde ich es toll, aber gleichzeitig auch enorm ungewohnt.", gab er unsicher lächelnd zu. In der Tat, wenn das Luftschiff hier einen Fehler hatte und es zum Absturz kam, dann konnten sie Adieu heile Welt sagen. "Und wie schaut es bei dir aus? Wie findest du es denn und bist du schon öfters geflogen?"