Und dann ertönte eine Stimme, die ihm seltsam bekannt und vertraut vor kam. Ob auf positive oder negative Art und Weise vermochte er jedoch nicht zu sagen, aber er nahm einfach mal an, dass ihn die andere Person kannte, da sie ihn mit seinem Vornamen ansprach. Er kannte nur wenige Leute in der Gilde, doch als diese große Person zur Seite trat, sodass er einen guten Blick auf seinen Gesprächspartner werfen konnte. Bei dessen Anblick zauberte der Fice ein kleines Lächeln auf sein Gesicht, obwohl er sich überhaupt nicht so fühlte. Na toll, Seraphim, der hatte ihm gerade noch gefehlt. Dazu passend kam noch sein einzigartiges "Chibi-chan", mit dem er den braunhaarigen Jungen immer ansprach. War er denn wirklich so einfallslos und unkreativ, dass ihm nichts, aber wirklich nichts anderes eingefallen war? Andererseits waren seiner Erwartungen Seraphim bezüglich nicht sonderlich hoch, also wen überraschte das schon. Der Kerl hat eine große Klappe wie eh und je. Typisch für den doch leicht arrogant angehauchten Dragonslayer, trat dieser völlig überheblich und von sich selbst überzeugt auf den Plan, während er Maenor mitteilte, dass sie entweder zusammenarbeiten oder dass er sich vom Acker machen könnten. "Ach, was du nicht sagst.", teilte ihm der Fice nun mit, während er sich lässig und beinahe zufällig an dem Heft seines Katanas anlehnte. "Wirklich ...", dabei gestikulierte Maenor etwas mit seiner freuen Hand, während er einen grüblerischen Gesichtsausdruck aufsetzte. "... generös von dir, dass du mir die Wahl lässt. Das ist mehr, als ich mir je erhofft hatte." Ja, der Sarkasmus troff richtig in der Stimme des jungen Magiers, der aber wusste, dass ein Streit unnötig und vor allem ziemlich lästig war. Sollte der Andere doch mitkommen, einen Garten zu zweit umzugraben ging immer noch schneller, als dies alleine machen zu müssen. Außerdem handelte es sich bei dem Dragonslayer um eine Art Radar, mit welcher er immer vorgewarnt war, falls sich ihm Zara oder jemand anderes nähern sollte. Von daher überwogen die Vorteile leider die Nachteile, weshalb er nun weiter sprach. "Na gut, dann lass uns zusammen hingehen, zu zweit sollten wir das schneller fertig bekommen." Und hoffentlich tauchte irgendeine hübsche Schönheit auf, die den weißhaarigen Magier ablenkte. Dann wäre jeder glücklich, Seraphim, weil er eine Frau hatte, Maenor, weil er nicht dem sinnlosen Müll zuhören konnte, der aus dem Mund des Anderen kam und ... ahh, naja, die Schönheit freute sich nur am Anfang, da sie ja Seraphim nicht kannte. Es konnte halt nicht jeder gewinnen.

Genauso, wie Cyrus dazu neigte, Maenor zu unterschätzen, geschah der gleiche Vorgang umgekehrt offenbar auch, denn der Braunhaarige schien den Dragonslayer auf einige wenige Charakterzüge zu reduzieren. Zum einen wäre da wohl seine Arroganz, natürlich, diese war wohl nicht zu leugnen. Wenn man der Meinung war, dass normale Menschen auch nicht viel wertvoller als der Dreck zu seinen Füßen waren, dann war das wohl unumgänglich, dass man eine gewisse Egozentrik an den Tag legte, nicht wahr? Des weiteren schien Maenor den Eindruck gewonnen zu haben, bei dem Dragonslayer handele es sich um einen Schürzenjäger - was wohl halbtags stimmte. Wenn es den Braunhaarigen schon grauste, wenn er sich überlegte, was Cyrus mit dem Mädchen von neulich wohl gemacht hatte, sollte man ihn vielleicht besser erst gar nicht darüber aufklären, dass er sich nicht nur auf ein Geschlecht beschränkte und es ebenso gut ein Junge hätte sein können? Nein, das würde den Braunhaarigen wahrscheinlich dermaßen überfordern, dass er sich die nächsten Monate nicht mehr in Cyrus' Nähe getraut hätte, könnte ja sein, dass dieser ihn auf einmal besprang oder sowas... nicht. Tut mir Leid, dir das mitteilen zu müssen, aber nein, Maenor passte so gar nicht ins Beuteschema des Weißhaarigen, er war zu... uninteressant, das traf es wohl am ehesten. Ihm nachzustellen wäre in etwa, wie sich an diesem kleinen Mädchen zu vergreifen, das er vor kurzem in Hosenka Town getroffen hatte, dieser Zero, die zwar alt genug wäre, aber einfach wie ein Kind wirkte. Und der Dragonslayer hatte ja viele seltsame Vorlieben, aber Pädophilie gehörte eindeutig nicht dazu, selbst wenn sie nur auf geistiger Ebene stattfinden würde.
Die Versuche des Fice, eine Drohung lässig aus dem Ärmel zu schütteln, prallten leider an Cyrus' Ego ab, wie von einem Kind geworfene Erdklumpen am Schild eines Ritters, da der Dragonslayer ganz genau wusste, dass Maenor es niemals wagen würde, ihn a) inmitten der Gilde zu attackieren, b) sein Katana wohl kaum in einem Menschenpulp, bestehend aus seinen Verbündeten zu ziehen und c) ihn tödlich anzugreifen... wenn er ihn denn überhaupt treffen würde... Außerdem war es immer noch ein kleiner, von seiner eigenen Familie verstoßener Maler, der recht gut mit dem Schwert umzugehen wusste. Nein, Maenor stellte in seinem Geiste keine Bedrohung dar, mochte er noch so eindeutige Zeichen von sich geben, wie er wollte. Oder so hochtrabend reden, wie er wollte, denn im Moment erinnerte er Cyrus allerhöchstens an diesen weißhaarigen Jungen, den er mit Zero zusammen getroffen hatte und der sich in etwa ebenso verhalten hatte. Deswegen folgte einem Kichern auch ein "Ja, nicht wahr~", während er Maenors Hand immer noch nicht losließ (Wie hatte er eigentlich gestikulieren können, wenn er die ganze Zeit eine Hand in Beschlag genommen hatte...?). "Na dann auf zum fröhlichen graben?" Wieder gluckste er und sah sich nach einem Weg gegen den Strom und aus dem Pulp um, schließlich mussten sie hier erst einmal raus... übrigens, es stimmte wohl, dass Cyrus ein Mann war, dessen Handlungen oft von seinen Trieben motiviert waren, aber er ließ sich sicherlich nicht von ihnen beherrschen. Der ganze Garten könnte voll von irgendwelchen reizenden Damen sein und er würde sich trotzdem noch konzentrieren können... na, hättest du das gedacht, Maenor-chan? Der Schwertkämpfer sollte zudem froh sein, dass Cyrus sich nicht noch peinlichere Spitznamen ausdachte...

Wie hatte Maenor nur dieses zauberhafte Wunder vollbracht, mit einer Hand artikulieren zu können, obwohl Seraphim – aus welchem rätselhaften Grund auch immer – eine seiner Hände immer noch fest umschlossen hielt? Hier ein Tipp, der junge Mann hatte zwei Hände. In der Tat. Also hatte er sich ganz einfach nicht mehr mit seinem Arm an dem Griff seines Katanas abgestützt, sondern hatte diesen entfernt und dann schließlich mit der freien Hand gestikuliert. Die Frage war jetzt nur, warum Seraphim immer noch seine Hand festhielt? Dabei war die Gefahr, vom Riesen überrannt zu werden, doch nur sehr kurz gewesen. Mochte er vielleicht Maenors weiche Hände? Denn wie das Klischee nun mal besagte, hatten Künstler für gewöhnlich sehr weiche und vor allem gepflegte Hände, da war auch Maenor keine Ausnahme. Denn wie sonst sollte er auch ungehindert und problemlos malen können, wenn er seine Hände nicht einwandfrei benutzen konnte? Aus diesem Grund nahm er auf Aufträgen auch immer ein paar Halbhandschuhe mit, denn er wollte keine Rötung und Schmerzen von dem Griff des Katanas bekommen. Wenn der Gute doch nur gewusst hätte, dass Seraphim nicht nur auf Frauen sondern auch auf Männer stand. Vielleicht würde er es ja irgendwann noch erfahren, aber hätte er es bereits in diesem Augenblick gewusst, was Sache war, so hätte er sich von Anfang an direkt befreit. So wunderte er sich nur über diesen Fakt, wobei es ihm langsam genug wurde und er mehr Druck mit seiner Hand ausübte, um dem Klammergriff des Dragonslayers zu entkommen. Sobald er das erst einmal geschafft hatte, konzentrierte er sich auf den Zettel in seiner Hand und begann ihn ausführlich zu lesen. Wenn das mal keine glückliche Fügung des Schicksals war, der Auftraggeber wohnte in Oshibana Town. Das bedeutete ja, dass sie erstens keine lange Zugfahrt nehmen mussten und andererseits, konnten sie in ihrer eigenen Stadt bleiben und hatten lediglich einen kurzen Weg. "Hey Seraphim, der Auftraggeber wohnt hier in Oshibana Town, das heißt, wir müssen bestimmt nicht weit laufen." Was jetzt kam, war doch noch ein klein wenig peinlicher. Am großen Eichenportal der Gilde blieb er stehen, und drückte seinem Lieblingspartner den Questzettel in die Hand. "Das mag jetzt ein klein wenig dumm klingen.", sagte er, während sich ein kleines und entschuldigendes Lächeln auf seinem Gesicht bildete. "Doch da ich nicht oft hier in Oshibana Town bin, sondern meistens umher reise, weiß ich nicht so genau, wo sich diese Straße befindet. Deshalb solltest du einfach vorangehen." So, das war erst einmal geschafft, selbstverständlich dachte Seraphim bestimmt jetzt, was für ein hoffenungsloser Idiot Maenor war, dass er sich nicht mal in der Stadt auskannte, in welcher er wohnte, aber so war das nun mal. Aber jetzt kam die weitaus wichtigere Frage, die ihn seit dem Augenblick beschäftigt hatte, seitdem er Seraphim gesehen hatte. "Hast du eigentlich mal wieder einen meiner Verfolger gesehen oder gerochen? Also Zara und diese ganzen anderen Außendienstler. Zudem ich glaube, dass sie nun auch hinter dir sein könnten, immerhin haben sie dein Gesicht gesehen und du hast mich da raus gehauen. Ich hab mich noch nicht wirklich bei dir bedankt, weshalb ich das nachholen wollte." Man nehme es wie man wolle, obwohl der Fice den Anderen nicht sonderlich mochte, ja ihn sogar arrogant und überheblich fand, war er eine ehrenvolle Person. Und ein Dank war das Mindeste, was er aussprechen konnte. "Ich denke, was auch ganz nützlich sein könnte, wäre, wenn du wüsstest, wer uns, das heißt mich und vielleicht auch dich, verfolgen könnte. Ich habe nämlich noch mehr Freunde auf der Liste, musst du wissen." Tja, und da kamen nur Kyle und Aeros infrage. Bei Ersterem hatten sie noch eine Chance, doch sollte letzterer auftauchen, konnten sie gleich einpacken und aufgaben.

Nein, wirklich, es gab einen Haufen Leute, die Cyrus mehr ansprachen, als der Braunhaarige. Darunter zum Beispiel eine Kellnerin aus Hanabis Café und einen rothaarigen Einäugigen aus Lamia Scale. Wirklich, auch er hatte Ansprüche und war nicht dermaßen verzweifelt, dass er alles nahm, was ihm vor die Flinte rannte. Nein, so weit war er echt noch nicht, zumal Maneor einfach nicht sein Typ war. Warum er aber immer noch Maenors Hand hielt, war dem einfachen Grund geschuldet, dass dieser den Questbogen in jener hielt, weswegen er sicher gehen wollte, dass er nicht abhauen konnte, da er keine Lust hatte, sich eine neue Aufgabe zu suchen. Nein, er hatte sich entschieden, auch wenn die Quest wirklich richtig langweilig wirkte. Nun ja, war nicht jedermanns Ding, einen Garten umzubuddeln, nicht? Vor allem nicht für ein Wesen des Himmels, das er war. Immerhin war er kein Erd- sondern der HImmels Dragonslayer. Würde er die Erde beherrschen, so hätte er einfach einmal aufgestampft und der Schatz wäre aus dem Boden geploppt, wie ein Korken aus der Flasche. Es war tatsächlich ein Glück, dass sie nicht besonders weit laufen mussten, vor allem aber für Maenor, da die Wahrscheinlichkeit, dass Cyrus sich langweilen würde, bevor es wirklich überfällig wurde, recht gering war, wenn sie nicht Zug fahren mussten. Letztes Mal hatte der Weißhaarige seinen kleineren Teampartner auch ziemlich genervt, aber einfach nur des Nervens wegen. Wenn sie nun erst einmal durch die Stadt laufen mussten, würde er sicherlich anderweitig Ablenkung finden.
Dass ihm Maenor dann jedoch den Questbogen in die Hand drückte und ihm beichtete, dass er keine Ahnung habe, wo er eigentlich hin müsse, musste er doch grinsen. Wie konnte es nur sein, dass jemand, dessen Gilde in einer Stadt angesiedelt war, sich in dieser nicht auskannte? Immerhin musste er doch hier wohnen oder so, nicht wahr? Zudem war auch Cyrus oft nicht da, sondern besuchte andere Städte, aber trotzdem kannte er sich in Oshibana Town wie in seiner Westentasche aus. Einige dieser Häuser kannte er sogar von innen, auch wenn er sie sicherlich nicht betreten hatte, um ihre Architektur zu bewundern. Natürlich konnte er diese Adresse finden, nichtsdestotrotz war es lachhaft, was Maenor da abzog. Das war eine echte Wissenslücke, wenn man ihn fragte. Er wollte gerade zu einer neckischen Antwort ansetzen, als der Braunhaarige weiter plapperte und etwas von seinen Verfolgern schwafelte. Ach ja, richtig, der Junge wurde ja von gut aussehende Mädels verfolgt, obwohl sich so etwas manche Leute echt herbeisehnten. Es war ihm so wurscht, ob der Braunhaarige verfolgt wurde, es war ihm dermaßen egal, ob er gefangen genommen wurde, gefoltert, gequält, getötet oder was-wusste-er wurde, letztes Mal hatte er ihn nur gerettet, weil er selbst bedroht gewesen war, nicht zuletzt, weil er einfach in der Schusslinie gestanden hatte. Man kann sich seine Reaktion also vorstellen, als ihm Maneor ganz jovial eröffnete, er würde nun auch verfolgt werden. Wut. Es war nicht sein Bier, wenn Maenor sich mit seiner Familie verkracht hatte und ihm vollkommen egal, was aus ihm wurde... aber sein eigenes Wohlergehen stand schon hoch im Kurs. Und dieses wollte er ihm wohl gerade schlecht reden? er ließ sich rein äußerlich nichts anmerken, aber innerlich kochte er. Wie konnte Maenor es überhaupt wagen, ihn da mit reinzuziehen. Er hatte doch gewusst, dass der Junge ihm das, was er ihm verheimlichte, besser hätte sagen sollen, da es sonst gefährliche Konsequenzen mit sich ziehen würde. Aber nein, er hatte es verschwiegen, bis es zu spät gewesen war. Maenor hielt ihn für eine ehrenvolle Person? Wahrscheinlich bis jetzt, denn die Antwort auf den Dank würde er wohl nicht so schnell vergessen. "Mein Fehler, Chibi-chan~", säuselte er und besah sich desinteressiert die Adresse, zu der er die beiden bringen sollte. Gut, konnte er zuordnen. "Noch mehr Freunde auf der Liste? Du bist ja begehrt...", grinste er nur, aber wartete nicht ab, ob Maneor nun Namen oder Beschreibungen würde folgen lassen, stattdessen machte er einen Schritt aus dem Gildenportal und sah zur fröhlich strahlenden Sonne hoch. Wunderbares Wetter!

Okay, jetzt mal ganz im Ernst. Was war das denn bitte für eine Reaktion? Da war Maenor auch noch so freundlich, schluckte seine Abneigungen gegen den Dragonslayer sowie seinen Stolz hinunter und bedankte sich für die Hilfe bei ihm. Und weiterhin war er bereit, Seraphim über weitere mögliche Verfolger aufzuklären, über die er sich ja letztes Mal erkundigt, aber keine Antwort von ihm erhalten hatte. Für gewöhnlich erzählte er den Leuten nämlich nichts über den Clan, doch hierbei wollte er eine Ausnahme machen, und dann so was. Mein Fehler. Was wollte er damit aussagen? Dass es sich um einen Fehler gehandelt hatte, ihm im Kampf gegen Zara beiseite zu stehen? Oder doch eher, dass es ein Fehler gewesen war, mit ihm jetzt auf eine Quest zu gehen. Womöglich meinte er auch den Fakt, dass er nachgefragt hatte. Egal wie man es nun auch betrachtete, der junge Fice wurde einfach nicht schlau aus dem, was Seraphim da von sich gab. In solchen Momenten merkte er einfach wieder, wie wenig er den Kerl mochte, dafür, dass er ihn kaum kannte. Sonderlich viele Freunde hatte er gewiss nicht, so zumindest die Meinung des Braunhaarigen. Und der nächste nette Kommentar, der bezüglich seinen Freunden oder eher gesagt ehemaligen Freunden folgte. Irgendwie gefiel ihm dieser Ton ganz und gar nicht. Was konnte er immerhin dafür, dass er von einem Haufen arroganter und traditionsbesessener Leute verfolgt wurde? Seraphim hatte doch unbedingt mehr über seine Vergangenheit erfahren wollen, nun ja, Glück für ihn. Er steckte jetzt ja mitten drin. Mit einem Stirnrunzeln und einem langen Gesicht folgte er seinem Partner nach draußen ins Freie. Verdammt, wie der Typ selbst solch einen schönen Tag zunichte machen konnte. Unglaublich.

Tbc: Wo ist der Schatz?

~Quest: Das Erbe von Kylia~

Ein stürmischer Tag hatte sich bereits angekündigt, als er am Morgen auf seine Dachterrasse getreten war und hinab auf das niedere Volk von Oshibana Town geblickt hatte, sich ein paar Pfannkuchen zum Frühstück gemacht hatte und anschließend duschen gegangen war. Man hatte von seiner Wohnung aus tatsächlich keinen schlechten Ausblick, zudem es an diesem Punkt meistens leicht windig war und er als Himmels Dragonslayer wahrhaft keinen besseren Umstand haben könnte. Was andere als zugig bezeichneten, war für ihn gerade richtig. daraus sollte man nun allerdings wiederum auch nicht schließen, dass seine Fenster extra undicht wären, nein - aber offen waren sie meistens. Die Pfannkuchen hatten seine Laune sogar noch ein bisschen mehr gehoben, die aufgrund des wunderbaren Wetters sowieso schon flog, immerhin hatten sie nach Vanille geduftet - und er mochte Vanille. Auch das warme Wasser, das angenehm über seine Haut geperlt war, hatte ihm gefallen. Ja, Cyrus duschte morgens, konnte man sich denken, warum er sich diese Angewohnheit zugelegt hatte? Es hatte alles nach dem Beginn eines wundervollen Tages ausgesehen, er hatte sogar leise gesummt, als er das dreckige Geschirr gewaschen hatte, wobei man ihn sonst nur höchst selten ertappen kann. Immer noch beinahe in einen rosafarbenen Schleier gehüllt, sprang er mit beschwingtem Schritt die Treppen des Hauses hinunter. Wenn er schonmal so gut drauf war, dann sollte er sich eigentlich den Tag frei nehmen und nichts tun... oder jemanden besuchen oder so. Wen genau wusste er noch nicht, aber da hatte er ja eine ganze Liste an Menschen, die für ihn meistens eine offene Tür hatten. Lächelnd steckte er den Schlüssel in den Briefkasten, um die Tageszeitung daraus zu entfernen, da der Postbote es immer wieder hinkriegte, sie in dieses Teil zu quetschen, statt sie nur locker hineinzulegen. Doch vor der vollkommen eingeklemmten Zeitung lag noch etwas anderes, kleineres, das ihm beinahe entgegen fiel, weil der Kasten eben nicht so unglaublich groß war. Ein Briefumschlag... mmh... wer könnte ihm geschrieben haben. Die Zeitung unter den Arm geklemmt, öffnete er dem Umschlag und begann zu lesen.
Und mit einem Schlag war der schöne, windige Tag im Eimer.
So ganz plötzlich von einer Sekunde auf die andere.
Cyrus stand mit dem Brief in der Hand da und sein linkes Augenlid begann unwillkürlich zu zucken. Dieses Blatt Papier, das sorgsam mit einem kurzen Text beschriftet war, teilte ihm auf durchaus höfliche Art und Weise mit, dass er - "Seraphim-san" - sich doch bitte um ein neues Mitglied der Gilde namens Naomi Kagekami zu kümmern habe und sie auf eine Quest mitnehmen solle. Am liebsten sofort. Hatte man ihm gerade durch die Blume befohlen, seinen schönen, freien Tag ausfallen zu lassen, um sich um irgendso eine Rotzgöre zu kümmern? Wenn da denn nur der Name gestanden hätte, aber nein, die Herrschaften waren so freundlich gewesen, dazu zu schreiben, dass es sich dabei um ein kleines Mädchen handelte... was sprang da denn bitte für ihn heraus? Er hasste Kinder, er konnte nichts mit ihnen anfangen, sie nervten immerzu und er wollte heute nicht arbeiten...! Aber er konnte auch schlecht ablehnen, nicht wahr? Das schien auch der Absender dieses Briefes zu wissen, da er gleich eine Quest mit beigelegt hatte, welch eine bodenlose Frechheit! Na schön... er würde das hier erledigen, aber danach würde er die Obrigkeit wissen lassen, dass das das letzte Mal war, dass er so etwas tun würde. Oh ja... und wie er das tun würde.

Einige Minuten später schritt der weißhaarige Mann mit dem auffälligen Zackentattoo unter dem linken Auge mit wehender Jacke, leicht angepisst-verkrampftem Lächeln und funkelnden hellvioletten Augen durch das Tor der Gilde. Alles männliche um sich herum vollkommen ignorierend suchte er nach dieser Naomi, die laut dem Brief in der Gilde warten würde. Die Frage, sie man sich stellen sollte, war wirklich, ob die Obrigkeit ihr einen Gefallen getan hatte, ihr für ihre allererste Quest ausgerechnet diesen Dragonslayer zur Seite zu stellen. Sicherlich war es eine Ehre, aber mal ehrlich... wer wollte wohl mit Cyrus in diesem Zustand auf längere Zeit alleine sein? "Okay~", rief er plötzlich, mit eher schneidender denn lauter Stimme, "Wer von euch ist Naomi Kagekami?"

Naomi wurde früh am Tag wach, weil sie sich eigentlich vorgenommen hatte, den Hausputz zu erledigen, welchen sie schon eine ganze Weile vor sich herschob. Ihr Vater meinte zwar immer, er könnte diese Pflicht ebenfalls übernehmen, aber was das anging, war er einfach viel zu schluderig, als das man ihm diese Aufgabe hätte überlassen können. Das blonde Mädchen war also wie gewohnt früh aufgestanden und hatte sich im Bad kurz unter die Dusche gestellt und in neue Kleidung geschlüpft. Während die goldblonden Haare trockneten, ging sie in die Küche und machte sich ihr Müsli und ihrem Vater die Eier mit Speck, die er so gerne aß. Die Kräuter aus dem hauseigenen Garten gaben dem Ganzen immer einen besonderen Geschmack, gerne nahm sie die Kräuter und das Gemüse was im Garten wuchs, denn immerhin konnte sie sich dabei sicher sein, dass es gesund war und gut gepflegt wurde. Gleich würde der Wecker ihres Vaters klingeln und er würde zum Frühstücken kommen. Da hörte sie auch schon die Geräusche, die damit verbunden waren, und musste grinsen, pünktlich wie immer. Mit sehr viel Liebe und Sorgfalt deckte der Goldschopf den Tisch und servierte das Essen. Dann entschied sie sich, noch etwas Obst für ihr Müsli zu holen, weshalb sie in den Garten ging. Dabei ging sie an ihrem Vater vorbei und grüßte ihn mit einem Kuss auf die Stirn. Er lächelte sie an und rollte Richtung Haustür. Er würde sich die Zeitung zum Frühstück holen. Jeden Morgen las er, was er so verpasste, während er in seinem Rollstuhl vor sich hintuckerte. Naomi ging in den Garten, Erdbeeren gab es noch einige, diese pflückte sie sich und ging damit wieder in die Küche. Geduldig wusch sie den Dreck ab und schnitt die sich in kleine Scheiben. Danach setzte sie sich an den Tisch und erwartete den Mann, der mit seinem Rollstuhl gerade durch die Tür gerollt kam. Auf seinem Schoß lag die Tageszeitung und etwas sehr Seltenes, ein ganz normaler Brief. "Guten Morgen meine Kleine, du hast Post", sagte er und schob ihr den Brief zu, nachdem er an den Tisch gerollt war und die Bremsen angezogen hatte. Danach widmete er sich ganz der Zeitung und seinem Frühstück. Ein wohliges Brummen war zu vernehmen, was wie Naomi inzwischen wusste, bedeutete, dass es ihm schmeckte. Zufrieden lächelte die Adoptivtochter des Magiers und nahm einen Löffel ihres Müslis, bevor sie den Brief öffnete. Während sie diesen las, wurden ihre Augen immer größer, man schickte sie auf eine Quest, das allein ließ ihr Herz schon höher schlagen, aber soweit sie dem Brief entnehmen konnte, hatte man einen Dragonslayer ebenfalls mit der Aufgabe betraut. Das war wohl die optimalste Begleitung für einen Anfänger. Auch den Namen glaubte sie, schon mal vernommen zu haben. Seraphim, ein sehr melodischer Name und noch dazu wie ein Engel, das konnte sicherlich interessant werden. Diese Neuigkeiten teilte sie ihrem Vater mit, dieser schien sich ebenfalls sehr für seine Tochter zu freuen nur irgendwie schien ihm der Name Seraphim nicht ganz so sehr zu munden wie ihr, gab es da etwas, was sie wissen sollte? Leider wollte er ihr nicht verraten, was ihm so die Sorgenfalten aufs Gesicht zauberte. Sie würde aber auch nicht weiter nachbohren. Nach dem Essen erledigte sie den Abwasch noch schnell und machte sich dann fertig. Ihre erste Quest musst einfach ein Erfolg werden. Während sie sich ein Haarband in die nun trockene Haarpracht knotete, überlegte sie sich, wie sie am besten ihrem Questpartner gegenübertrat. Naomi entschied sich dafür es ruhig angehen zu lassen und sich von ihrer besten Seite zu zeigen, immerhin würde er sie etwas länger ertragen müssen.
Die junge Magierin hatte es nicht weit zum Gildenhaus, wo sie auf den Dragonslayer warten sollte. Da es noch etwas Zeit war, bis der angegebene Zeitpunkt erreicht war, nahm sie auf eine Bank Platz und betrachtete die anderen Magier, die wie immer geschäftig hin und her gingen und sich für besonders wichtig hielten. Es war selten, dass einer der Erwachsenen überhaupt Notiz von ihr nahm, das war wohl so, wenn man noch sehr jung war. Allerdings musste sie arbeiten, immerhin brauchte die Familie ein Einkommen. Eigentlich sollten sich Kinder erst um ihre Eltern kümmern, wenn diese ein hohes Alter erreicht hatten, in diesem Fall war das anders. Das, was sie als Entschädigung bekamen, weil ihr Vater verletzt war, reichte genau zum Leben, aber das war auf Dauer nicht genug. Sie seufzte leicht, wie konnte man so jung schon so viele Sorgen haben. Doch bevor sie sich mehr Gedanken darüber machen konnte, hörte sie, wie jemand ihren Namen rief. Das musste er sein, ein junger Mann, der durch das auffallend weiße Haar und die doch recht helle Haut wirklich etwas Engelsgleiches hatte. Ebenso die Augen, welche schon durch ihre violette Färbung etwas Besonderes schienen, hatten einen doch leicht hochmütigen Glanz. Er wusste also ganz genau, welche Wirkung er auf andere hatte, allerdings schien er recht gereizt, das konnte man allein schon an dem leicht scharfen Ton seiner Stimme erkennen. Irgendwie wäre es ihr lieber gewesen, wenn er guter Laune gewesen wäre. Allerdings war dies nun nicht mehr zu ändern, er war da und die Laune hatte er mitgebracht, alles Weitere hing an ihr. Also stand sie auf und ging zu ihm hinüber. "Ich bin Naomi Kagekami." Sie verneigte sich vor dem Mann, der auf sie schon etwas riesig wirkte. Er war gut einen Kopf größer als sie und die schlanke Gestalt ließ ihn noch größer wirken. Imposant, wie das Mädchen sich eingestehen musste.

Na, da hatten sich ja zwei gefunden, die viel unterschiedlicher nicht hätten sein können. Auf der einen Seite er, groß, kräftig, falsch spielend, asozial und angepisst; auf der anderen Seite sie, kein, zierlich, offen, altruistisch und ziemlich in sich ruhend. Wenn das nichts wurde, dann wusste man auch nicht. Cyrus jedenfalls sah seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt, als ein kleines Mädchen auf ihn zugewuselt kam, die goldfarbenen, kurzen Haare mit einem Band gebändigt und auch ansonsten wieder mal zuckersüß... wie er Kinder hasste! Warum brachte man ihn denn dann bitte dazu, mit einem solchen Wesen eine Quest zu erledigen, dazu noch an einem so herrlich stürmischen Tag? Die war so zart, dass sie wahrscheinlich von der nächsten Windböe weggeweht wurde... wenn sie denn vorher nicht irgendwie an Heimweh oder ähnlichem starb. Wahrscheinlich würde sie sich gleich in kariesverursachender Manier vorstellen und Cyrus würde Mühe haben, seine wunderbar nach Vanille duftenden Pfannkuchen nicht gleich wieder loszuwerden... wahrscheinlich war sie genau wie Zero, die ihn auch immer so aufregte. Warum hatte sich der Tag denn so ins Schlechte verändert, was hatte er gemacht um das hier zu verdienen...? Na, okay, darauf könnte man nun sogar antworten und die Liste seiner Taten wäre durchaus nicht gerade kurz, aber das war ihm so egal - Kinderfolter war in keinem Falle angebracht. (Nicht Kinder, sondern ihn mit Kindern zu foltern)
Tatsächlich stellte sie sich vor, aber tat das erstaunlich erwachsen, zumindest weit erwachsener, als er sich ausgemalt hatte. Immerhin kam sie nicht auf die Idee, ihn irgendwie despektierlich anzusprechen, wozu kleine Kinder generell ja eher neigten. Nein, zwar nannte sie seinen Namen gar nicht, aber sie verbeugte sich. Eigentlich ein guter Anfang, wenn er nicht dermaßen außer sich wäre, dann hätte er ihr das sicherlich positiv angerechnet. So aber nahm er es nur mit einem mehr oder minder gereizten Nicken und einem "Hm." wahr und drehte sich dann auf dem Stiefelabsatz um. "Komm mit...", murmelte er noch, ehe er aus der Tor der Gilde schritt, die Hände in den Hosentaschen vergraben und nach dem erstbesten Stein tretend, den er finden konnte. Ja, das war wohl ziemlich unkommunikativ, aber er hatte auch gar keine Lust, sich jetzt mit diesem Mädchen zu unterhalten. Sicher, wäre sie zwei Jahre älter, nicht ganz so spindelig und wäre er nicht gezwungen worden, sich um sie zu kümmern, dann hätte er sich vollkommen anders verhalten, aber so... "Da ich offenbar die Ehre habe...", erklärte er dennoch, als sie vor der Gilde standen und ihnen der Wind ins Gesicht peitschte, "...dich in den Beruf eines Magiers einzuführen und mir dadurch mein freier Tag geraubt wird...", er lächelte, "....solltest du vielleicht wissen, was wir überhaupt machen werden. Und da man so wahnsinnig freundlich war, mir gleich auch noch eine Quest mitzuschicken..." *Blanker Hohn...!* "Hier." Er suchte in der Innentasche seiner Jacke nach dem zusammengefalteten Zettel und reichte ihn Naomi. Die sollte aufpassen, schließlich war es ziemlich windig und das Blatt sicherlich nicht gerade schwer. Apropos Wind, Cyrus spürte den Widerstand der Luft gar nicht richtig, warum sollte sie ihn auch aufhalten? "Du kannst ja auf dem Weg zum Bahnhof lesen - Du kannst doch schon lesen, oder?" Was wusste er denn, wann Menschenkinder lesen lernten, er versuchte sie ja so gut es ging zu meiden. Und da er nicht annahm, dass das Mädchen von einem Drachen beigepult bekommen hatte, wie man die kryptischen Zeichen names Buchstaben enträtselte, konnte er nicht einmal aus eigener Erfahrung sprechen.

Sie hatte also richtig gelegen, der Hochgewachsene, war ihr Questbegleiter Seraphim. Offenbar kein Mann großer Worte und offenbar wirklich nicht der besten Laune. Denn statt sich ebenfalls vorzustellen, nickte er nur und gab einen, nicht einzuordnenden Laut von sich. Was sollte ihr das Ganze sagen? Naomi wusste es nicht und großartig Zeit zum überlegen hatte sie nicht, denn kaum war dieser Laut über seine Lippen gekommen wandte er sich ab und verließ das Gildenhaus durch die Tür. Der Magier schien es wirklich sehr eilig zu haben mit der Arbeit, die ihnen aufgetragen wurde fertig zu werden. Ganz egal, was ihn so zerfressen hatte, sie würde es wohl ausbaden müssen und das war keine gute Aussicht fand die junge Magierin, die dem Voranschreitenden folgte. Es war ein stürmischer Tag, doch dank des Haarbandes blieben ihre Haare, wo sie waren, und behinderten nicht ihre Sicht. Dieses Wetter war eigentlich eine willkommene Abwechslung zu dem langsam doch etwas austrocknenden Sonnenschein. Vielleicht brachte der Wind sogar ein paar Regenwolken für ihren Garten, das wäre das Idealste, doch seit wann tat die Natur das, was für einen Menschen am besten war. Eigentlich nie, denn sie arbeitete nach ihren eigenen Regeln und Wünschen. Dann jedoch, oh es war wie ein Wunder mittleren Ausmaßes, er schien sie doch darüber in Kenntnis setzen zu wollen, was nun ihre Aufgabe war, welche sie bewältigen sollten. Bei jenem doch sehr einseitigen Gespräch, Naomi wagte es nämlich nicht ihm irgendwie dazwischen zu reden, auch wenn er immer irgendwelche Kunstpausen einzulegen schien, erfuhr sie den Grund für seine Missgunst. Dem Dragonslayer war es absolut nicht recht, dass er heute an diesem, seinem scheinbar vorher freien Tag mit ihr verbringen musste. Dass er wenig begeistert davon war, dass er den Kindergärtner für sie spielen musste, zeigte allein sein Tonfall und irgendwie wünschte Naomi sich gerade, dass gleich irgendwas Lustiges passierte und er sich in jemand anderen verwandelte, der zumindest bessere Laune hatte, aber damit konnte das Mädchen nicht rechnen. Also würde sie nehmen, was da war und das Beste daraus machen. Während sie sich noch wünschte, dass alles nur ein schlimmer Traum sei, hatte ihr Gegenüber einen Zettel heraus, darauf waren wohl die Informationen, die er zu der Aufgabe bekommen hatte. Im Wind flatterte der Zettel ein wenig, weshalb sie etwas fester griff, als sie den Zettel in ihre Hände nahm. Dann allerdings stellte ihr Begleiter eine fast beleidigende Frage. Ob sie lesen konnte, was sollte das denn bedeuten? Wollte dieser ungehobelte, abgehobene und scheinbar recht ignorante Kerl etwa behaupten, dass sie so dumm oder so jung wirkte, dass man ihr nicht zutrauen musste, diese Fähigkeit bereits erworben zu haben. In ihr brodelte es, aber sie lächelte freundlich: "Ich bin in der Lage zu lesen. Ihr werdet es mir nicht vorlesen müssen Seraphim-sama." Ein ruhiger, sanfter Klang war diesem Satz beigefügt. Das junge Mädchen würde den muffeligen jungen Mann schon mit dem Respekt behandeln, den er von ihr verdiente, auch wenn sie eigentlich gerne eine Menge anderer Dinge loswerden wollte. Er meinte sie würden zum Bahnhof gehen und von dort aus ihre Reise starten, eine gruselige Vorstellung, sie beide eingepfercht auf zwei Sitzen, mit dem größten Pech wahrscheinlich noch nebeneinander, dazu verdammt sich anzuschweigen, weil der Kopf der Aktion scheinbar wenig Interesse daran hatte, sich mit dem ihm anvertrauten Magiernachwuchs zu beschäftigen. Noch besser war es wahrscheinlich, wenn sie Meter weit auseinander saßen, zwischen Fremden Menschen, und wenn sie aussteigen mussten, vergaß er einfach deiner Begleiterin zu sagen, dass sie aussteigen sollte und somit würde sie irgendwo ins Blaue fahren und müsste irgendwie zurückkehren. Nein das würde nicht passieren, das würde Seraphim nicht tun, oder? Vorsichtig öffnete sie den Zettel. Während sie sich diese Gedanken machte, hatte Naomi den Zettel geöffnet und den Inhalt der Nachricht aufgenommen, es schien nicht allzu gefährlich zu werden. Das war schon mal ein guter Aspekt des Ganzen, außerdem hielt er sie mit Glück für so nutzlos, dass er sie eh nichts Schwieriges machen ließ.

Rein theoretisch würde Cyrus genau das tun, er würde einfach dafür sorgen, dass das kleine Mädchen irgendwo verloren ging, im Alltag würde das sicherlich nicht weiter auffallen. Heute aber hatte man ihm diese Quest aufgedrängt und man würde nicht nur am Ausgang, sondern auch an der Vollkommenheit interessiert sein, was leider beinhaltete, dass er alle Teammitglieder wieder mehr oder minder wohlbehalten zurück bringen musste. Also nichts mit Plan A, hier musste einfache Knochen- und Nervenarbeit geboten werden. Sie hatte das schon richtig erkannt, momentan fühlte sich Cyrus nicht nur benutzt und veralbert, sondern auch gleichsam zum Kindergärtner degradiert. Da konnte Naomi einfach nichts für, sie hatte nur Pech, dass er heute Morgen zu gute Laune gehabt und diese durch den Brief komplett verloren hatte. Und das mit dem lesen meinte er nicht einmal direkt und eindeutig böse - er wusste es einfach nicht anders.
Offenbar konnte Naomi lesen, was zumindest diesen Teil der Quest schon einmal einfacher machte. Oh, und sie redete ihn mit "-sama" an - war auch gerechtfertigt, wenn man ihn fragte. Allerdings war er schon ziemlich positiv überrascht, dass sie bisher noch gar nicht herumzuquietschen begonnen hatte oder ähnliches, doch, wirklich positiv überrascht. "Nimm mir das mit dem Lesen nicht übel, ich habe keine Ahnung, wann Menschenkinder das so im Allgemeinen lernen." Er zuckte mit den Schultern und lächelte Naomi bereits etwas entspannter an. Sie schien nicht ganz so schlimm zu sein, wie er erwartet hatte, da musste er sich auch gar nicht so aufregen. Normalerweise war er immer jemand, der seine Emotionen nicht direkt zeigte, aber irgendwie hatte es dieser Brief geschafft, das alles über den Haufen zu werfen, nun musste er also versuchen, den Status Quo wieder herzustellen. Da hatte er sicherlich ziemlich antiproduktiv begonnen, nicht wahr? "Alles klar? Dann lass uns aufbrechen.", meinte er und bewegte sich langsam in Richtung Bahnhof, während er sich umschaute, um zu sehen, ob Naomi denn auch mitkam. Irgendwie wirkte das Mädchen zu reif für ihr Alter, zumindest so weit er das einschätzen konnte. Immerhin wusste er aus dem Gedächtnis, dass Zero zumindest körperlich größer war, aber sie benahm sich weitaus auffälliger wie ein Kind. Naomi dagegen war sogar höflich geblieben, nachdem er sie indirekt beleidigt hatte, ohne es überhaupt zu wollen. Puh... "Was beherrschst du eigentlich für eine Magie, Naomi-chan?", fragte er deswegen und ließ seine Stimme weitaus interessierter klingen als er eigentlich war. Prinzipiell interessierte es ihn einen Dreck, was andere für Magie ausübten, es sei denn natürlich sie hatten sie von Drachen erlernt. Generell sagte Magie wenig über den Charakter einer Person aus, man nehme da Souta, der irgendwas von wegen Kettenmagie gelabert hatte (und gab es eine ungebundenere Person als diesen?), man nehme ihn selbst, der heilen konnte, aber es nicht tat. Vielleicht würde Naomi ja etwas unterhaltsames beherrschen, interessant würde es wohl nicht werden. Aber man wollte sich ja nicht gleich am Anfang der Quest vollkommen in den Haaren liegen, nicht wahr? Zudem das Mädchen sich ein Stück weit verdient hatte, dass er sich auf andere Weise mit ihr beschäftigte, als er das mit Maenor gemacht hatte. Der war recht schnell so weit gewesen, dass er den Dragonslayer wohl am liebsten geköpft hätte – und so etwas wollte man doch der kleinen Naomi nicht zumuten, oder? Oh, nein, das war keine Anwandlung von Nächstenliebe, das war reine Kalkulation. Es würde sicherlich nicht gut kommen, wenn er sie so vergraulte, dass sie sofort wieder die Gilde verließ, oder? Und dann könnte es wiederum sein, dass man ihm noch einmal so einen Brief schickte, was er natürlich auf jeden Fall vermeiden wollte.