Shi schien Emaru also doch mehr über das Gespräch erzählt zu haben, als Noah zu Beginn gedacht hätte. Immerhin wusste der Weißschopf, dass Noah eine zweite Persönlichkeit besaß, doch wie viel Wissen mehr er besaß, konnte Noah nicht sagen. Da die beiden Magier aber wieder einige Stunden miteinander verbringen würden, sollte es genügend Zeit geben, dies noch herauszufinden. Genauso wie bei dem letzten Aufeinandertreffen schien der Dargin freundlich und höflich und ob er dem Jungen nun mehr zutraute, würde sich noch herausstellen. Ob Noah nun auch über das Potenzial verfügen würde, eine B-Rang Mission zu absolvieren, würde sich dann auch zeigen, solange es zu keinem Kampf auf einem solchen Niveau kommen sollte, würde der braunhaarige Junge womöglich keine Probleme haben- sollte es doch auf einen solchen hinauslaufen, hätte der Gildenmeister ihn womöglich einer anderen Mission aufgetragen. Langsam weckte sich das Interesse in dem Beschwörungsmagier, um welche Mission es sich handelte und was sie zu erledigen hatten. Aber da Emaru anscheinend erst etwas Small Talk führen wollte, musste der Junge seine Neugierde noch für einen Moment verdrängen. „Wenn du uns schon als Dream Team betitelst, sollten wir ja keine Probleme mit dem Auftrag bekommen.“ Für einen Moment grinste der Espérance, dieses Mal konnte man sein Lächeln auch deutlich erkennen und brauchte keine Hilfsmittel, während er im nächsten Moment beobachtete, wie der Blick seines Gildenkameraden auf seinem Schlüsselbund kleben blieb, der nun über mehr Schlüssel verfügte. Wie es Noah die letzte Zeit erging? Wirklich Spektakuläres hatte er nicht erlebt, aber langweilig wurde ihm nicht- von dem heutigen Tag einmal abgesehen. Bevor der Stellarmagier weitersprach, deutete er kurz auf seinen Schlüsselbund. „Beklagen kann ich mich nicht, besonders da ich es geschafft habe, zweite weitere Schlüssel zu bekommen. Sollten wir irgendwelche schweren Lasten transportieren müssen, stellt dies ein geringeres Problem dar, genauso sollten wir es nun leichter haben, Spuren zu verfolgen, falls es nötig wird.“ Kaum wurden diese Informationen übermittelt, zeigte der Junge nicht mehr auf seinen Schlüsselbund, jetzt fiel der Arm einfach schlapp herab. Ob und inwiefern er seine beiden neuen Stellargeister zum Einsatz bringen würde, sollte sich noch zeigen. „Ansonsten ist nicht wirklich fiel geschehen, wenn ich einmal mein Haus verlassen habe, war ich eigentlich nur kurz hier, um mir einen simplen Auftrag abzuholen, den ich alleine absolvieren konnte. Manchmal brauch ich auch einen Tapetenwechsel.“ Für einen Moment legte er eine kurze Pause ein. „Wie erging es dir so? Und wie es Leyla geht…“ Während dieser Satz angefangen wurde, durchfuhr dem Espérance die altbekannte Veränderung, die nur eines bedeuten konnte: Leyla übernahm den Körper. Am deutlichsten merkte man das Ganze an der sich verändernden Körperhaltung, dann erst an der Mimik. Zwar verändert sich diese nicht mehr so extrem wie zu Beginn, da Noah Emaru nun wenigstens etwas kennt und diesem mehr von sich offenbart, allerdings merkt man einen großen Unterschied. In der Menge, in der Noah bisher sprach, sollte sich wahrscheinlich kein großer Unterschied mehr zeigen, da dies der erste Punkt war, indem sich Noah änderte, solle eine Person langsam sein Vertrauen gewinnen. Aber sobald Noah mit jemand völlig fremden sprechen würde, wären die alten Verhaltensmuster offensichtlich, sofern Leyla nicht das Wort führte. „… erzählt sie dir am liebsten selbst. So oder so ähnlich wollte Noah den Satz beenden, schätze ich.“ Die Lippen des Jungens zeigten nun ein Lächeln, wie man es lange nicht mehr gesehen hatte. Auch Leyla begann, ihre Maske abzunehmen. „Mir geht es bestens und an sich habe ich natürlich das Gleiche erlebt wie Noah. Wie geht es übrigens Shi?“ Nun warf Leyla einen Blick auf den Zettel, auf welchem die Mission beschrieben wurde. Langsam wurde es einmal Zeit, dass sie wusste, worin die heutige Arbeit bestehen würde. „Kann ich mir einmal die Questbeschreibung durchlesen, Emaru? Langsam interessiert es mich doch, worin unsere heutige Arbeit besteht.“

Ah, es sah aus, als würde Noah sich dem weißhaarigen Magier langsam öffnen, oder ihn zumindest ganz gut leiden können. Es war ja nicht so, als würde Emaru ihn nicht mögen, und auch nicht so, als hätte er ihn auf der letzten Quest enttäuscht – nein, es gab keinen Grund, warum man etwas gegen den Kleinen haben sollte, und entsprechend hatte Emaru das auch nicht. Er wusste zwar nicht ganz so viel über ihn wie Shi das tat, so hatte er keinerlei Ahnung vom Reichtum dieses Jungen oder von seiner doch recht traurigen Geschichte, doch seine finstere Seite hatte einfach damit herausplatzen müssen, dass sie Recht behalten hatte. Nichts Neues... Shi liebte es einfach, wenn er Emaru in irgendetwas übertrumpfte, und hielt damit nur ungern hinterm Berg. Was das Leben des Espérance anging, hatte dieser sich in der letzten Zeit wohl auch nicht sehr anders verhalten. Er hatte sich, wie Emaru, um die Erweiterung seiner Magie gekümmert – auch wenn dieser wahrscheinlich mehr dafür trainiert hatte als der, der sich nur neue Schlüssel kaufen musste. Aber immerhin, es hatte sich ausgezahlt, denn am heutigen Tage stand hier nicht länger Emaru Dargin, der Finsternismagier. Nein, diese Person war Emaru Dargin, Herr über die Dunkelheit und über die leuchtende, unzerstörbare Masse – im Volksmund auch als Kristall bekannt. Okay, vom Meistertitel war er vielleicht noch etwas entfernt, aber immerhin beherrschte er dieses Element nun in Grundzügen, was sicher auch ein bisschen was wert war. Außerdem hatten sie sich beide um einfachere Quests gekümmert, auch wenn es wohl nur einer von beiden für sein eigenes Überleben tat, weil er das Geld unbedingt brauchte. Außerdem hatten wohl beide einen Großteil ihrer Zeit mit wenigstens einem Mädchen verbracht... Auch wenn dieses Mädchen bei Noah wahrscheinlich nur Leyla war. Vor der kleinen Eisladendame von gestern hatte sich Emaru aber nicht unbedingt zurückgehalten, immerhin tat er das ja nie. Selbst Magnolia Town hatte ihn erneut begrüßen dürfen, in der Hoffnung, eine süße Bekannte zu treffen – eine Hoffnung, die leider unerfüllt geblieben war. Die Antwort lautete also: „Ach, ich hab auch nicht viel anderes gemacht als du... Hauptsächlich trainiert. Oh, und ich habe einige Leute kennen gelernt...“ Ein Kommentar, auf den er nicht weiter einging, denn Noah musste von seiner bindungsunfreudigen Art nicht unbedingt wissen – er hatte ja schon Shis Existenz mitbekommen, das sollte erstmal reichen. Und dass er mit Frauen umgehen konnte, sollte inzwischen auch kein Geheimnis mehr sein, also weiter im Text. „Shi geht es so gut wie eh und je... er hat bei dieser Hitze reichlich Grund zu nörgeln, auch wenn er sie nicht spürt, und das liebt er.“ Erneut lachte Emaru leise, achtete dabei aber darauf, den Mund nur leicht zu öffnen und nicht unhöflich zu sein. Als er sich wieder gefasst hatte, räusperte er sich leise und nickte Leyla zu. „Na klar, lies nur“, sagte er, während er den Zettel in die männliche Hand seines weiblichen Gegenübers wandern ließ, und stützte beiläufig eine Hand auf dem Tisch ab, neben dem die beiden standen. Was wie eine einfache, zufällige Geste aussah, war allerdings volle Absicht; während er seine Magie in seiner Handfläche kanalisierte, bildete sich darunter eine dicke Kristallschicht, der er langsam, aber sicher eine Form gab. Er war noch nicht besonders bewandert in diesem Teil der Magie, doch für ein kleines Kunstwerk würde es reichen. „Es behagt mir nicht besonders, in Mirobi zu haben, aber wenn Master Ryce sagt, dass diese Quest das Richtige für mich ist, werde ich das natürlich nicht anzweifeln. Er irrt sich selten... jedenfalls hab ich es noch nie mitbekommen.“ Auch, wenn ich jetzt lieber ein Eis essen gehen würde... Er wartete noch ein bisschen, konzentrierte sich auf seine Magie, bis sein Kristall fertig war und sich vom Tisch lösen ließ. Aufgrund seiner noch recht geringen Beherrschung hatte er sich erst einmal für eine einfache Form entschieden, ein dreidimensionales, kleines Sechseck, bestehend aus nichts als weißem Kristall. Außerdem hatte er mit seinem Mana ein wenig daran gekratzt, sodass sich auf der Oberfläche deutlich der Buchstabe L zeigte. L wie in Leyla eben. Als er sich sicher war, dass das Mädchen mit dem Lesen geendet hatte, trat er also vor und hielt ihr dieses kleine Kunstwerk entgegen. „Wir lernen uns ja streng genommen erst jetzt richtig kennen, Leyla... deshalb dachte ich mir, ich schenke dir eine Kleinigkeit. Ich hoffe, es gefällt dir...“ Viel mehr hielt ihn jetzt aber nicht mehr in diesem stickigen Gildenhaus... wenn das Mädchen hier fertig war, würden sie wohl gehen können.

Im Endeffekt schienen beide Magier nicht sonderlich viel erlebt zu haben. Beide erledigten einige unbedeutende Aufträge, wobei der Sinn in diesen sich unterschied. Emaru musste diese erledigen, um Geld zum Überleben zu erhalten, Noah konnte sich den Luxus leisten, solche aus reinem Zeitvertreib zu erledigen- wie er es jetzt machen würde. Bei dem Dargin sah es da etwas anders aus, da er womöglich seine Zeit lieber mit einer gewissen Person verbringen wollte, aber inwiefern sein Erspartes reichte, um über einen längeren Zeitraum zu überleben, wusste womöglich nur er. Aber eines sollte fest stehen: Nach der Belohnung einer B-Rang Mission würde man länger überleben können als nach einer C-Rang, dafür waren diese aber mit mehr Arbeit verbunden. Beide hatten auch an Stärke gewonnen, doch auch hier unterschieden sich die Magier. Emaru hatte es geschafft, eine neue Magie zu erlernen, auch wenn er diese bestimmt noch nicht meisterhaft kontrollieren konnte. Stärker war er bestimmt auch geworden, wobei Noah dies auch von sich behaupten konnte. Von dem Begriff „gefährlich“ oder dessen Synonym „bedrohlich“ war er zwar noch ein Stück entfernt, aber besser verteidigen konnte er sich garantiert und die Rolle eines unterstützenden Kämpfers konnte er bestimmt füllen. Vielleicht würde der kommende Auftrag ja zeigen, wie viel die Magier gelernt hatten? So harmlos wie die letzte gemeinsame Mission, in der sie Haustiere füttern mussten (auch wenn diese teilweise problemlos einen Menschen töten könnten), wäre der Auftrag bestimmt nicht. Auf die Aussage, Emaru hätte einige Leute kennengelernt, ging die Cope nicht näher ein, da man schließlich nicht alles hinterfragen musste. Lieber lächelte sie, als sie die nächsten Worte vernahm. „Wenn es allen Anwesenden gut geht, kann der heutige Auftrag ja nur problemlos ablaufen. Und im besten Fall werden wir der Hitze sowieso ausweichen.“ Wenn die Magier dies wirklich schaffen konnten, wäre ihnen womöglich geholfen. Zwar hatte Noah recht wenige Probleme mit der Hitze, Emaru konnte es da aber anders ergehen. Nach der Zeit in der Gefangenschaft hatte er sich verändert, während er die hohen Temperaturen recht gut überstehen konnte, würde er eher damit leben müssen, Nebeneffekte dieser zu verkraften. Seine Haut ist im Normalfall blass und daher anfällig für Sonnenstrahlen, doch würde er den Schmerz nicht wahrnehmen, den die Sonne verursacht, wenn seine Haut verbrannt wird, beziehungsweise würde er diesen erst spüren, wenn die Haut bereits verbrannt war. Für einen Moment war Leyla in Spekulationen versunken, worüber es sich bei dem folgenden Auftrag handeln würde, wodurch sie es fast nicht bemerkt hätte, dass ihr der Zettel mit der Beschreibung gereicht wurde. „Danke.“ Zügig entnahm sie der Beschreibung ihre Informationen. In Mirobi seien also mehrere Tiere verschwunden und nun sollen Magier aus Blue Pegasus in dieser Sache ermitteln. Interessant würde dieser Auftrag bestimmt werden, aber in ihrer Fantasie hatte sie sich teilweise spektakuläreres vorgestellt- auch wenn dies eher eine Stärke ihres männlichen Parts war. Aber woher sollte sie wissen, dass dieser Auftrag langweilig werden würde? Vielleicht würde sich auch irgendein Umstand ergeben, durch den die Arbeit spektakulär werden würde? Nach einem innerlichen Seufzer stoppte sie in ihren wilden Spekulationen. Sie würde es erst erfahren, wenn sie mit dem Auftrag beginnen würde! „Ist an Mirobi irgendetwas besonders? Bisher habe ich von dieser Ortschaft noch nichts vernommen…“ Sie überflog den Zettel erneut und versuchte etwas herauszufinden, ob es nun wirklich etwas besonderes an dem Ort oder seinen Bewohnern gab, doch die Informationen ergaben nur, dass die Bewohner anscheinend vorsichtiger waren als andere Menschen, was auch immer dies zu bedeuten hatte. Die letzten Sekunden war sie so mit nachdenken und grübeln beschäftigt, dass sie das Kunstwerk von Emaru erst gar nicht bemerkte. Die Magie, die er dabei aufbrachte, bemerkte sie auch nicht. Sie bemerkte es erst, als ihr ein weißer Kristall gezeigt wurde, in dem ein „L“ eingraviert war. Sie lächelte freundlich und nahm den Kristall. „Danke. Wenn ich öfters solche Geschenke bekommen würde, könnte ich mir ja das vorstellen ja sparen und es immer weiter hinauszögern. Was ich dann irgendwann geschenkt bekommen würde?“ Den Kristall verstaute sie in einer der Hosentaschen, einen besseren Ort zum aufbewahren hatte sie bisher nicht. Wenn man sie fragte, war bisher das Wichtigste geklärt, also könnte das Vierergespann mit der Arbeit beginnen. „Wann geht’s los?“

„Mirobi...“, murmelte Emaru leise, als ihn das Mädchen danach fragte. Wobei, war sie wirklich noch ein Mädchen, keine Frau? Er konnte Noah ja nur aufgrund des Aussehens einschätzen und hatte keine Ahnung, wie alt er eigentlich war – und ob Leyla so alt war wie er, wusste er auch nicht. Aber naja, bei Gelegenheit würde er einen der beiden mal danach fragen, jetzt ging es erst einmal um dieses Dorf. „Mein Bruder war einmal dort, deshalb weiß ich ein bisschen was über das Dorf. Die Information ist aber ein paar Jahre alt... Jedenfalls, laut James sind die Leute in dem Dorf Fremden gegenüber wenig aufgeschlossen, teilweise versuchen sie sogar richtig, Reisende zu vertreiben. Außerdem wird wohl so ziemlich alles im Umkreis von einem Kilometer von den Bewohnern als Eigentum des Dorfes angesehen... Ach ja, und die Gebäude damals waren wohl ziemlich rustikal, sehr altmodisch. James hat gesagt, dass er nicht schlafen konnte, weil er Angst hatte, dass das Haus, in dem er übernachtet hat, jeden Moment einstürzen könnte. Allerdings... mit seiner Magie hätte er die Decke problemlos halten können, sollte sie tatsächlich einstürzen. Ich kann dir diese Sicherheit nicht bieten.“ Und wach bleiben könnte er dann wahrscheinlich auch nicht, aber das musste er seinen Partnern ja nicht gleich eröffnen. Er wollte sie nicht unnötig beunruhigen; auch wenn er die Decke nicht stützen konnte, würde doch niemand unter seinem Kommando sein Leben geben müssen. Das würde er auf keinen Fall zulassen, stark genug, um einen Kameraden zu schützen, war er nämlich. Er trainierte ja nicht nur für das Geld... „Keine Sorge, dir wird nichts passieren... Ich pass schon auf dich auf, wenn es sein muss. Auch wenn ich nicht glaube, dass es notwendig sein wird...“ Irgendwie war es einfacher, mit Mädchen zu sprechen, die auch wie Mädchen aussahen. Auch, wenn es gerade für Emaru nicht so kompliziert sein sollte, merkte er, dass es ihn verwirrte, mit Leyla in diesem Körper zu sprechen, auch wenn er sie nur so kannte. Er war eben jemand, der mit weiblichen Bekannten nicht genau so umging wie mit männlichen, und jetzt beidem gleichzeitig gegenüber zu stehen, war nicht unbedingt leicht für ihn. Aber daran würde er sich schon noch gewöhnen...
Das magische, kleine Geschenk schien ganz gut anzukommen. Ehrlich gesagt, hätte es Emaru auch gewundert, wenn dem anders gewesen wäre. Es war ein hübsches Geschenk, glitzerte und sah wesentlich wertvoller aus, als es war – seit der Erfindung von Kristallmagie hatte man einen Weg gefunden, den Unterschied zwischen magischem und gewöhnlichem Kristall auszumachen, um einer enormen Inflation und betrügerischen Zauberern entgegen zu wirken. Außerdem hatte es eine persönliche Note, man konnte sehen, dass es wirklich für sie war und nicht einfach für irgendeine beliebige Person, da musste man es doch einfach mögen. Dennoch spürte der Magier eine gewisse Erleichterung, als sie ihre Worte hörte, und nickte, als sie fragte, wann es losgehen sollte. Mit wenigen Schritten stand er an der Tür und öffnete diese, hielt sie auf, damit das interne Magierduo hindurch gehen konnte, ehe er ihnen hinaus folgte mit einem letzten Blick auf die Uhr. Während das Portal hinter den beiden zufiel, rief Emaru seine Erinnerungen ab und rechnete ein wenig herum, ehe er seufzte. Sie würden erst einmal eine nicht gerade kurze Zeitspanne totschlagen müssen, ehe es wirklich losgehen konnte... doch das ließ sich sicherlich auch noch ausnutzen. „Schlechte Nachricht... Es wird noch mehr als anderthalb Stunden dauern, bis der nächste Zug in Richtung Mirobi fährt. Obwohl das eigentlich immer noch Glück ist... im Westen von Oshibana Town liegen nicht viele Touristenorte, und die paar gut besuchten Städte und Dörfer liegen ziemlich weit abseits von Mirobi, deshalb fährt die einzige Bahn, die in die Nähe unseres Zielortes kommt, nur alle zwölf Stunden.“ Damit nickte er, begann aber trotzdem, seine Schritte in Richtung des Bahnhofes zu lenken. Die Richtung stimmte zwar, doch das Ziel, das er sich erhoffte... „Meine bevorzugte Eisdiele liegt zufälligerweise auf dem Weg zum Bahnhof. Wenn du möchtest, lade ich dich auf ein Eis ein, um uns ein bisschen die Zeit zu vertreiben.“ Man könnte es vermuten, er machte diese Geste nicht, um seinem Partner eine Erfrischung zu bescheren...

Was Leyla über die Bewohner von Mirobi hörte, sorgte regelrecht dafür, dass ihr dieses Dorf unheimlich sympathisch wurde. Sie konnte sich keinen schöneren Ort für einen Ausflug vorstellen, die Gastfreundschaft der Bewohner war atemberaubend, ihre Höflichkeit unerreicht und die Atmosphäre des Dorfes suchte man in anderen Ortschaften vergeblich. Es war nur fraglich, warum dieses kleine Dorf keine großen Geschäfte über den Tourismus machte. Dank ihrer Vergangenheit wusste sie in etwa, welche Orte bekannt waren für ihre Touristenattraktionen, doch der Name Mirobi sagte ihr… nichts. Die Erklärung von Emaru war einleuchtend. Einerseits waren die Bürger Kleptomanen und beanspruchten alles in ihrer näheren Umgebung als ihr Eigentum, andererseits schienen sie nicht sonderlich erfreut über den Besuch Fremder zu sein. Teilweise versuchten sie sogar, diese zu vertreiben. Als wenn das nicht schon genug wäre, war der Zustand der Ortschaft nicht auf dem neusten Stand. Wenn man hier einen Urlaub verbringen wollte, dann am besten in einem allinklusiv Hotel, welches nichts mit dem Dorf zu schaffen hat, die Arbeitskräfte werden am besten aus Nachbarortschaften importiert und eine riesige Mauer um das Hotel verhindert jeglichen Kontakt mit den Einheimischen. Könnte man seinen Urlaub an einem schöneren Ort verbringen? Garantiert. „Wenn alles stimmt, was dein Bruder dir einst erzählt hat, werden wir unseren Spaß haben. Hat er eigentlich auch etwas darüber erzählt, ob die Bürger besonders vorsichtig sind? So steht es wenigstens in der Beschreibung.“ Die Mission könnte noch ein Spaß werden. Bei möglichen Konstellationen, wie das aufeinander treffen ablaufen könnte, musste sie sich ein Grinsen verkneifen. Vielleicht waren die Bürger ja besorgt um ihre Tiere, dass sie die Magier sofort außerhalb des Dorfes hetzen würden, damit sie mit der Suche beginnen konnten (und außer ihrer Sichtweite waren)? Während sie über andere Möglichkeiten nachdachte, bemerkte sie fast nicht, was Emaru als nächstes aussprach. Er wollte sie also beschützen, falls es notwendig werden würde? Wie überaus zuvorkommend. Wie sollte sie wohl darauf reagieren? Sie legte den Kopf leicht schief, lächelte überstark und wirkte hilflos, wobei sie letzteres für jemanden, der das Handwerk eines Schauspielers verstand, deutlich schauspielerte, ein Laie es aber abkaufen sollte. Die Wirkung, die sie durch den Körper verursachte, genauso wie die Tatsache, dass diese Geste durch den Körper eines Mannes komisch aussah, störte sie jedoch nicht. Schließlich war hier neben den beiden Magiern nur noch der Gildenmeister anwesend, weiterhin wussten alle Anwesenden von Leyla- also konnten sie sich mit ein bisschen Fantasie die Geste richtig vorstellen. „Gut zu wissen, Emaru. Und wenn ich dich schützen können sollte, mache ich das natürlich auch.“ Ob es dazu kommen würde? Wer der Stärkere der beiden war, sollte klar sein…
Emaru überlegte, ob er wusste, ab wo der Zug fahren würde. Er besaß das ungewöhnliche Talent (oder Hobby), dass er den Fahrplan von Oshibana Town auswendig kannte. Mit ihm zu reisen konnte überaus angenehm werden, zu mindestens wenn man die Bahn benutzen wollte. Doch weder Leyla noch Noah konnten eine Fahrzeit genau benennen, beide wussten vielleicht wo sich das richtige Gleis befand, wenn man zu einer größeren Stadt reisen musste, aber selbst das konnte die beiden überfordern. Leyla überlegte, wohin sie ihre Reise führen würde. Vielleicht befand sich das Dorf ja in einer reinen Idylle? Doch bevor sie diese Antwort bekommen sollte, würden noch ein paar Stunden vergehen. Leider schien die Strecke Richtung Mirobi nicht sonderlich beliebt zu sein, weshalb kaum ein Zug in diese Richtung fahren würde… Immerhin fuhr alle 12 Stunden eine Bahn dorthin, also würden die Magier womöglich die Gastfreundschaft des Dorfes für einen Tag genießen können. Im Leben gab es bestimmt Schlimmeres… „Wenn das kein Zeichen ist… Gegen ein Eis hätte ich nichts, und da wir sowieso noch warten müssen, passt das Ganze doch.“ Die Hintergründe dieser Geste blieben wohl nur für Emaru offensichtlich, ob er aber wegen der Kellnerin, oder um seinem Partner eine Erfrischung zu spendieren, dies vorgeschlagen hatte, würde sich noch zeigen. Vielleicht traf ja auch beides zu? Leyla würde auf jeden Fall Emaru folgen, schließlich wusste sie nicht, welche Eisdiele er meinte.

Als Urlaubsort wäre Mirobi sicher sichtlich ungeeignet, doch zum Glück waren die beiden Magier ja nicht auf dem Weg in den Urlaub, sondern wollten in dieser übertriebenen Hitze harte Gildenarbeit verrichten. Vielleicht war Master Ryce wegen diesem Wetter ja auch schlecht drauf und wollte das einfach an irgendjemandem auslassen, und deshalb hatte er Emaru diese Aufgabe aufgebrummt – zuzutrauen wäre es ihm doch. Aber immerhin konnte der Weißschopf einmal noch herzlich lachen, als er sah, wie Leyla in Noahs Körper das hilflose Mädchen mimte. Zweifellos Schauspielerei, aber nicht annähernd so gut, wie er es von einem Mädchen, das sich meist als Junge ausgab, erwartete – wahrscheinlich machte sie das jetzt nur zum Scherz, also war sein Lachen angebracht. Es war ja auch urkomisch, wie dieser Hundeblick mit dem breiten Lächeln verknüpft wurde, wenn also aus der Karriere als Magier nichts werden sollte, konnte Noah seine Partnerin immer noch zum Stand-Up-Comedian machen.

Nächstes Ziel: Eisdiele. Der Dargin konnte es kaum erwarten, ein fruchtiges Eis zu sich zu nehmen, und außerdem gab es da ja noch eine weitere Süßigkeit, die auf ihn wartete. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis die beiden ankamen, und von hier aus konnte man den Bahnhof bereits sehen, es waren höchstens ein paar hundert Meter, die sie davon noch trennten. Den Zug würden sie also nicht verpassen, sofern sie rechtzeitig aufbrachen, das war schon mal gut und sollte Leyla beruhigen. Beim Eintreten hörte man eine Klingel, die am oberen Ende der Tür angebracht war und erneut klingelte, als sich diese hinter Emaru und seiner Begleitung wieder schloss. Es dauerte ein paar Sekunden, sodass er bereits ein paar Schritte in das Lokal setzte, doch bald hörte er die ihm wohl bekannte Stimme: „Ah, Emaru! Hallo!“ Schnell kam die junge Kellnerin angelaufen, nahm seine Hand und brachte ihn zu einem leeren Tisch, ehe sie Noah anblickte und auch ihm einen Stuhl hervor zog- man kümmerte sich ja um alle Gäste. „Hallo, Marika. Schön, dich mal wiederzusehen... Das hier ist Noah. Wir brechen bald zu einer Quest auf, und da dachte ich, ich komme nochmal hier vorbei, um dich zu sehen.“ Er lächelte und blickte ihr ehrlich in die Augen, und man konnte richtig sehen, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. „Oh, das freut mich sehr... H-hallo, Noah!“ Sie gab den beiden Jungen jeweils eine Karte und verneigte sich, ehe sie sich zu Emaru beugte und ihm etwas zuflüsterte, woraufhin dieser nur kurz nickte. „Klar, das mache ich gerne. Die Quest dauert höchstens ein paar Tage, Montag bin ich also mit Sicherheit schon wieder hier.“ Montags hatte sie offenbar keine Schicht, und wenn eine junge Frau wollte, dass er sie besuchen kam und ihr von seiner Quest erzählte, dann sagte er natürlich nicht nein – auch wenn der Verdacht nahe lag, dass das nicht alles war, was sie wollte. Ein zufriedenes Lächeln legte sich um die Lippen des Jungen, während sie ging, um sich um die anderen Gäste zu kümmern, und er die Karte aufschlug und sie studierte. Schnell hatte er sich entschieden, und als auch seine Begleitung wusste, was sie wollte, lockte er mit einer kurzen Handbewegung Marika wieder an. Es dauerte auch nicht lange, bis die beiden Magier ihre Eisbecher vor der Nase stehen hatten, und in einer eleganten Bewegung wanderte der Löffel in Emarus Hand. Weiterhin lächelnd, blickte er zu Noah hinüber und machte es sich noch einmal in seinem Stuhl bequem, ehe er das Wort an den anderen richtete: „Du wirst sehen, das Eis hier ist gut... lass es dir schmecken.“ Dann nahm er auch schon den ersten Löffel seines Fruchtbechers... oh ja, das Eis hier war wirklich gut.

Emaru durchschaute also das Schauspiel der Cope. Entweder besaß er ein wenig Erfahrung in dem Gebiet der Schauspielerei, oder er konnte gut genug beobachten. Die Geste war gespielt, gekünstelt, und wenn man genügend daran setzte, konnte man sie problemlos durchschauen. Für ein wenig Unterhaltung hatte sie gesorgt, sowie sich außerdem etwas Wissen angeeignet: wollte sie Emaru etwas vorspielen, musste sie sich mehr anstrengen, doch sollte es für sie kein Problem sein. Schauspielern gehörte zu ihren leichtesten Übungen. Als Stand-Up-Comedian würde Noah seine weibliche Hälfte zwar nicht arbeiten lassen, bevorzugen würde er Schauspielerin- allerdings konnte er diesen Gedanken recht schnell verwerfen, so schnell würde er nicht in Geldnot geraten. Notfalls konnte er sich von dem ein oder anderen Besitz trennen, um einen Notgroschen zu bekommen.

So befanden sich nun die beiden Magier auf dem Weg zur Eisdiele. In einem Punkt hatte der Dargin bereits recht: Die Eisdiele befand sich auf dem Weg zu dem Bahnhof. Das Duo befand sich fast auf dem Weg, der von dem Gildenhaus bis zu dem öffentlichen Gebäude am besten und schnellsten führte. An dem Ort der kühlen Erfrischung angekommen, konnte man bereits auf die erste Etappe der Mission blicken, sofern man die Eisdiele nicht mit zählte. Kurz musterte Leyla das Gebäude. Es sah sauber aus und schien gutes Geld zu machen, da viele der Tische besetzt waren, allerdings konnte sie sich nicht erinnern, hier bereits einmal gewesen zu sein- zu mindestens nicht nach der Entführung. Dass Noah danach Menschenmengen meidet, sorgt weiterhin dafür, dass dies womöglich der erste Besuch ist. „Eines steht fest: Kein Ort für mich. Viel zu viele Menschen. Wenn du etwas von mir willst, geh zu einem leereren Platz oder warte, bis wir im Zug sitzen.“ Bevor Leyla etwas erwidern konnte, überlies Noah seinem weiblichen Part nun vollständig den Körper, wenigstens temporär. Für eine Weile würde er sich nicht einmischen, nicht den Körper übernehmen, aber auch weniger mitbekommen. So konnte sich Leyla alleine mit den Turteltauben herumschlagen, diesen Eindruck würde sie jedenfalls bekommen, je länger sie Emaru und die Kellnerin namens Marika beobachtete. Warum genau diese Eisdiele ausgewählt wurde, wurde der Rothaarigen langsam aber sicher bewusst. „Hallo, Marika.“, kam es höflich über die Lippen des Jungen, während die neuen Gäste zu ihrem Tisch geführt wurden und kurze Zeit später bereits ihre Speisekarten hatten. Während Marika dem Weißhaarigen etwas ins Ohrflüsterte und dieser darauf etwas antwortete, studierte Leyla bereits die Karte. Schließlich musste man nicht sofort alles wissen. Später konnte man immer noch nachhacken, sofern einem kein Gesprächsthema einfiel und wahrscheinlich würde sie nachfragen, aus reiner Neugierde natürlich. Die Karte besaß eine reichliche Auswahl und die Preise waren auch nicht überteuert. Wenn dann noch das Eis schmecken würde, könnte man wiederkommen, sofern Leyla gerade die Kontrolle über den Körper besaß- ansonsten gab es schlechte Chancen. Es dauerte auch nicht lange, und der gewünschte Becher war ausgesucht und die Bestellung aufgegeben. Nach einer Weile kam er dann auch endlich: Viel Vanilleeis, ausreichend Schokosoße, aber auch noch Schokoladen- und Stracciatellaeis. „Das wollen wir doch hoffen. Du dir auch.“ Es wurde Zeit zu testen, ob Emaru zu viel versprochen hatte. Schlecht sah es nicht aus, aber das musste nichts heißen. Allerdings wurde sie sich nach dem ersten Happen einig: das Eis ist gut. „Glück gehabt, es schmeckt wirklich.“ Einen Moment schwieg sie und genoss ihr Eis. Dann wurde ihre Neugier doch zu groß. „Lass mich raten: Dir gefällt diese Eisdiele so gut wegen einer gewissen Kellnerin?“

Emarus Eis schmeckte sehr gut, doch noch viel schmackhafter war die Atmosphäre, an der er sich gerade herzlich labte. Es war klar, dass Leyla merkte, was die niedliche Kellnerin von ihrem Magierkollegen hielt, schließlich war sie nicht dumm und Marika nicht besonders gut in ihren Versuchen, subtil zu sein. Für ihn war das Ganze einfach nur ziemlich amüsant, und das konnte man auch ohne große Deutungsfähigkeiten aus seinem Gesicht ablesen, während er Löffel für Löffel sein Eis zu sich nahm. Auf die Frage seiner Partnerin hin konnte er einfach nicht anders, als leise zu lachen, lehnte sich grinsend ein wenig zurück und schüttelte kurz den Kopf. „Ich genieße das Eis hier seit ein paar Jahren, aber Marika habe ich hier erst letzte Woche getroffen. Obwohl ich gestehen muss, dass die Bedienungen in diesem Café viel besser sind als die in Magnolia Town...“ Kurz schwelgte er in Erinnerungen, ehe er sich mit einem Nicken wieder in die reale Welt zurückholte. Sein erstes Treffen mit einer Dragon Slayerin würde Leyla sicher weniger interessieren, also fuhr er einfach mit dem derzeitigen Thema fort: „Aber für gewöhnlich wird man nicht zu einem Tisch geführt, und es geht auch selten so schnell mit dem Eis... Auf jeden Fall ist das, was wir hier heute erlebt haben, eine ziemliche Sonderbehandlung. Einer der Vorteile meiner Anwesenheit, wenn man so möchte.“ Ein kurzes Zwinkern, ehe er sich wieder seinem Eis widmete. Wahrscheinlich wussten die beiden Seiten Noahs noch von der letzten gemeinsamen Quest, dass es eigentlich immer von Vorteil war, ihn dabei zu haben, auch wenn er am Ende mit einem gewissermaßen verletzten und zuvor vergifteten Bein hatte gehen müssen... aber das war die Schuld seiner schlechteren Hälfte gewesen, und nicht seine eigene. Alles, was er getan hatte, war produktiv und effektiv gewesen, und irgendwelche Komplikationen hatte es auch nicht gegeben, während seine Kollegen beide wenigstens einmal verloren gegangen waren. Aber darum ging es jetzt nicht, jetzt genoss er erst einmal sein Eis, unterhielt sich ein wenig mit Leyla und tötete die Zeit, die dann auch irgendwann so weit vergangen war, dass es Zeit wurde, zu gehen. Er winkte kurz, und schon kam Marika zu ihnen herüber. „Unser Zug kommt bald, deshalb müssen wir jetzt los...“, erklärte er kurz, lächelte sie dann aber an. „Aber das Eis war wirklich gut. Und es war schön, dich zu sehen... ich freue mich schon auf Montag.“ Damit zahlte er für sie beide – immerhin hatte er Leyla ja eingeladen – und stand auf, um sich bei der unglaublich roten Kellnerin mit einem kurzen Kuss zu verabschieden.
„Wir haben sicher noch einige Minuten Zeit, bis der Zug kommt... mehr als genug, um Karten zu machen. Diesmal bezahlst du die aber, ich war letztes Mal schon dran!“, unterhielt sich der Dargin mit seiner Begleiterin, als sie wieder vor dem Eisladen standen und auf dem Weg waren, zum Bahnhof, um endlich aufzubrechen – das zu tun, was sie die ganze Zeit schon vor hatten. War aber ja nicht seine Schuld, dass das Gebiet kaum besiedelt und deshalb kaum befahren war... und sicher würde sich niemand an so einem heißen Tag über ein Eis als Erfrischung beschweren. Leyla schien es ja geschmeckt zu haben, also gab es soweit kein Problem. Hoffentlich würde es ihr auch nichts ausmachen, dass er am Schalter, nach der Wahl der Tickets, aber vor der Bezahlung, zur Seite trat und ihr mit einem unschuldigen Lächeln entgegnete: „Du bist dran. Du darfst auch unsere Sitzplätze aussuchen, wenn du möchtest.“

Leyla konnte genüsslich ihr Eis verspeisen, während sie Emaru beobachtete. Anscheinend hatte sie es geschafft, irgendetwas zu sagen, dass ihren Partner zum Lachen brachte. Offensichtlich schien er sich zu amüsieren, dies könnte auch jemand wie Noah erkennen, der bekanntlich Probleme mit den menschlichen Emotionen hatte. Wahrscheinlich würde die Reaktion des Dargins aus Leylas Frage resultieren, aber vielleicht wurde ihm auch nur eine passende Substanz ins Eis gemischt. Vielleicht war die Eisdiele ja daher so erfolgreich? Aber sobald er sich ein wenig beruhigt hatte und wieder sprechen konnte, gab es die Auflösung: Die Frage war doch schuld. Marika war also nicht der alleinige Grund, das Eis genoss er schon mehrere Jahre. Jetzt erhoffte sie sich eine Liebesgeschichte zu ihrer Belustigung, die Noah nebenbei inspirieren könnte, und bekam nicht ganz das, was sie wollte. Aber vielleicht sah es ja bei einem Folgebesuch in dieser Eisdiele anders aus? „Wenn das so ist. Mich darfst du nicht nach dem Service oder der Qualität in Magnolias Eisdielen fragen. In der Stadt war ich nicht oft, und wenn ich dort in irgendeiner Gastronomie war, dann in einer solchen, in welcher Kellner schnell ihren Job verlieren, wenn sie den Kunden nicht mit Service überhäufen. Über den Geschmack des Essens kann man sich aber viel besser streiten…“ Soeben hatte die Cope die Kategorie Sternerestaurants beschrieben, in welcher sie, genauso wie Noah, früher oft speisen mussten. Zwar mochte sie schon immer Luxus, doch dauerhaft die anspruchsvollste Küche wurde ihr irgendwann zu viel. Losgelöst von ihren Eltern musste sie diese Gaststätten nicht mehr aufsuchen, sehr zu ihrer Freude. Auf die Aussage des Weißhaarigen, ihn dabei zu haben, grinste sie nur. Bisher hatte er sich als überaus nützlich erwiesen, doch irgendwann würden Leyla und Noah ihre Vorteile zeigen können- auch wenn dies in erster Linie durch Geld der Fall wäre. Ob sich die Talente auf der Mission brauchbar machen würden, wäre Spekulationen zu Folge eher fragwürdig. Eine Geschichte würde Noah bestimmt nicht erfinden müssen und ob Leyla ihre schauspielerische Begabung für mehr als eigennützige Zwecke verwenden würde, war auch eher fraglich. Aber man wusste natürlich nie. Während sich die beiden Magier unterhielten, schien die Zeit schneller zu verfliegen, als die Rothaarige geschätzt hätte. Inzwischen wurde es Zeit, zum Bahnhof zu gehen. Hatte sich Leyla zuvor noch eine romantischere Geschichte gewünscht, bekam sie nun wenigstens eine kurze Szene zu sehen: Nachdem Emaru gezahlt hatte, ein paar Worte sagte, wurde Marika rot und bekam einen Kuss. „Hoffen wir einmal, dass alles gut läuft und wir bis Montag wieder daheim sind. Wir wollen schließlich keine Entzugserscheinungen bei dir wecken.“, kam es etwas spöttisch über die Lippen des Jungen. Zwar beobachtete Leyla öfters gerne Frischverliebte, aber nichtsdestotrotz verspürte sie oftmals das Bedürfnis, diese etwas aufzuziehen, sofern sich eine Gelegenheit ergab. Kaum hatten die Lippen die spöttischen Züge verloren, wurde die Mimik wieder ernst. Jetzt rückte wieder die Arbeit näher und Freizeit entfernte sich. „Kein Problem, zwei Fahrkarten bringen mich in keinster Weise nahe dem finanziellen Ruin.“ So befanden sich die beiden Magier nun auf den Weg zum Bahnhof und am Schalter angekommen, regelte Emaru alles- von dem Bezahlen einmal abgesehen. Sie durfte sich noch die beiden Sitzplätze aussuchen, doch bekam sie dadurch ein Problem, wie es wahrscheinlich kaum ein normaler Mensch haben würde: Erste Klasse, ein Abteil oder gleich ein kompletter Wagon? Letzteres wurde bereits aussortiert, zu viel Geld wollte sie doch nicht ausgeben, aber ein Abteil durfte es schon sein. So konnten sie wenigstens hinter sich eine Tür schließen und hatten ihre Ruhe, konnten ungestört weitere Dinge über die Mission besprechen. Nicht zu vergessen hatten sie dadurch genügend Platz, da normalerweise mehr als zwei Personen in einem Abteil Platz fanden. „Das sollte genügen, damit wir weiter ungestört sind.“ Der Bedienstete am Schalter bekam die Informationen sowie genügend Jewel, die Magier im Austausch die passenden Tickets. Eines reichte sie dem Dargin.

„Hehe... keine Sorge, bis Montag schaffen wir das ganz sicher. Ist doch nur eine B-Rang Quest... kein Problem“, antwortete der Dargin seiner Begleitung bezüglich der angeblichen Entzugserscheinungen. Er war das rohe Leben ja gewohnt, es sollte kein Problem darstellen für ihn, sich mit ein paar unfreundlichen Dorfbewohnern und bösartigen Tieren herum zu schlagen. Bei Noah war er da nicht so sicher. Der Spruch bezüglich der Lokale, denen der Espérance bereits Besuche abgestattet hatte, gab Emaru erste Einblicke in die Tatsache, dass der Junge aus einer wesentlich weniger armen Familie stammte, und die Erfahrung zeigte nicht, dass reiche Kinder sich mit dem alltäglichen Überleben auskannten, im Allgemeinen eher das Gegenteil. Warum so jemand wohl Magier wurde? Im Gegensatz zu Shi kannte Emaru die Leyla-Hintergrundstory ja nicht, daher war diese Frage durchaus berechtigt. Es käme doch niemand auf den ersten Blick darauf, dass Noah die Magie beherrschte und freiwillig bereit war, weit zu reisen, um anderen zu helfen. Es war wohl das Glück der Stellarmagier, dass sie ihre Beschwörungen zum Kämpfen schicken konnten, ohne mit einem starken Körper auftrumpfen zu müssen... So konnte er mit seinem Geld angeben, gut davon leben und hatte trotz wenig Training immer etwas für den Kampf bereit. Die zugehörigen Schlüssel konnte man ja kaufen, wenn der Weißschopf sich nicht irrte, also war wohl das einzige, das ein Stellarmagier wirklich brauchte... ja, Geld. Die Finsternismagie unterstützte eher, da war es unabdingbar, seinen Körper etwas zu stählen, wenn man sie effektiv anwenden wollte. Außerdem stellte Charme einen wichtigen Teil Emarus dar, es gab also drei erlernbare Fähigkeiten, die der junge Mann auszubauen hatte. Was wohl einfacher war, drei Fähigkeiten zu erarbeiten oder eine besonders starke zu kaufen... das durfte gern jeder für sich selbst entscheiden.

Ein ganzes Abteil hatte der Nachwuchsmagier ihnen also gemietet... zufrieden ließ sich der Dargin in einen Sitz sinken, kaum dass der Zug angekommen und sie in ihrem Abteil waren. Hach, das war gemütlich, und diese Bahn war offenbar klimatisiert... man fühlte sich gleich viel besser hier. Am liebsten wäre Emaru hier und jetzt eingeschlafen, aber auch, wenn das als einfaches Teammitglied kein Problem war, musste er als Teamleiter doch erst einmal wach bleiben und sein Team – also die Noahbewohner – mit Informationen versorgen. „Also, mal sehen... wir werden nicht weit fahren müssen, aber wie du dir vielleicht denken kannst, gibt es in Mirobi keinen Bahnhof. Das heißt, wir werden einen Teil des Weges zu Fuß bewältigen müssen, aber das sind wirklich nur ein paar Kilometer, keine Sorge. Wesentlich komplizierter wird es, dort einen Ort zum Übernachten zu finden, aber darum kümmere ich mich, wenn es so weit ist... wer weiß, vielleicht gibt es inzwischen doch ein Motel oder so etwas.“ Nachdenklich nickte er und ließ seinen Blick aus dem Fenster schweifen. Noch standen sie, waren nicht losgefahren, aber es würde nicht mehr lange dauern. Hatte er noch etwas vergessen? Die fremdenfeindlichen Mirobier, der Fußweg, die Übernachtung... nein, eigentlich müsste alles klar sein. Trotzdem, irgendwie kam ihm das Ganze unvollständig vor... mal sehen, ob der Espérance noch eine Frage hatte: „Gibt es sonst noch etwas, das du wissen möchtest? Ich glaube, das war schon alles Wichtige...“ Wenn es sich schon erledigt haben sollte, konnte man ja vielleicht doch ein kleines Schläfchen machen...