Scheinbar hatte der Dragonslayer bereits einen Plan ausgearbeitete dem sie folgen konnten. Das war gut, denn auch wenn Naomi bereits einige Zeit in dieser Stadt lebte, hatte sie keine wirkliche Ahnung von ihr und war immer darauf angewiesen, dass andere wusste wo es lang ging. Lediglich das Gildenhaus, die Wohnung des Dragonslayers und der Bahnhof waren ihr nicht fremd. Da zahlte es sich aus, wenn man genug Freunde hatte, die das Navigieren für einen übernehmen konnten. So auch Seraphim, der ihr nun einen Kuss gab, auf die Wange natürlich. Wieder einmal war es eine Situation in der Naomi nicht genau wusste, ob sie sich freuen sollte, dass er sie nicht wie jede hübsche erwachsene Frau behandelte oder nicht. War sie einfach noch nicht erwachsen oder hübsch genug, oder war es einfach, weil er sie wirklich gern hatte als sein kleines blondes Kuscheltier? Zu schade, dass man nicht in den Kopf dieses jungen Herren hineinsehen konnte. Als er allerdings anfing von See und Strand zu reden kam ihr eine vielleicht nicht ganz so förderliche Idee. "Nun ja nicht so wirklich, aber wir könnten doch mal wieder zusammen einkaufen gehen." Das letzte Mal hatten sie ein Kleid gekauft, etwas was ihr inzwischen zu klein war und wahrscheinlich dem Wahn ihres Onkels zum Opfer gefallen war, aber dennoch eine schöne Erinnerung.
Allerdings war diesmal die zu kaufende Bekleidung deutlich freizügiger. Wozu er ihr wohl raten würde? Wenn sie ehrlich war, hatte sie sich noch nicht mit sowas beschäftigt. Musste man für sowas nicht den Brustumfang kennen? Möglicherweise war Seraphim jemand der das locker schätzen konnte, so aus einem Erfahrungswert heraus, aber sicher war sie sich nicht. Doch das war gänzlich egal, so Läden hatten meist auch wirklich nette Verkäuferinnen, die einem Gerne ihre Hilfe gewährten und auch anboten, von daher stand einem kleinen Einkaufsbummel vorneweg eigentlich nichts im Wege, oder vielleicht doch? Neugierig blinzelte das Mädchen ihren Begleiter an, welcher nun an ihre Seite gewechselt hatte und scheinbar so langsam in den Sinkflug übergehen wollte.

Oh, Seraphim war ein echter Profi darin, die Körbchengröße von Frauen zu schätzen, was wahrscheinlich von einem großen Erfahrungsschatz herrührte, auf den er zurückblicken konnte. Andererseits war er sich bei Naomi extrem unsicher. Das lag nicht nur an ihrer momentanen Garderobe, sondern auch daran, dass er sich immer noch nicht so recht vorstellen konnte, wie sie etwas anderes als einen süßen Kleinmädchenbadeanzug trug. Wahrscheinlich würde er sich um mehrere Größen verschätzen, einfach weil er innerlich nicht so ganz akzeptieren konnte, dass Naomi auch so etwas wie eine Pubertät durchleben konnte. Aber das hatte sie ganz eindeutig getan und wenn er sich nicht vollkommen blamieren wollte, musste er sich damit abfinden. Der Lauf der Zeit konnte nicht rückgängig gemacht werden, wenn man nicht gerade blauen Spandex trug, selbst wenn die Initialen schon einmal stimmten. Es würde so oder so eine Herausforderung darstellen, weil er sich hier neue Regeln ausdenken musste, nach denen er solche Garderobe aussuchte. Es gab bestimmte Dinge, die ihm da besser als andere gefielen - aber natürlich hing das auch arg vom Typ frau ab. Es gab natürlich auch weibliche Wesen, die sich besser verschleiern sollten, weil sie ihre Körperform eher einer Bowlingkugel als einer Sanduhr abgeschaut hatten. Dummerweise waren es irgendwie gerade jene, die sich die offenherzigsten und demnach unpassendsten Stücke kauften, sodass er es nicht ertragen konnte, sie länger als ein paar Sekunden anzuschauen. Das würde Naomi schon einmal nicht passieren... "Was ist denn deine Lieblingsfarbe, Engelchen?", fragte er und schwenkte nach rechts, sodass sie einige Sekunden später vorsichtig auf dem Boden landeten. Es war immer ein seltsames Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, wenn man gerade durch die Luft geschwebt war und er musste sich erst kurz daran gewöhnen, ehe er mit Naomi ein paar Straßen weiterging und schließlich in ein Geschäft einbog. Er war hier noch nicht besonders oft gewesen, weil er sich tatsächlich auf Bademode spezialisierte und er diese dann doch her selten brauchte. Männer hatten es da deutlich einfacher als Frauen, weil sie auch in jeder Art von Shorts schwimmen gehen konnten und sich meistens eher weniger daran störten. Jetzt ging es aber um Naomis Kleidung, die das ja wohl kaum so halten würde. Während sie durch die Tür gingen, wandte er sich zu ihr um und fragte: "Aber schwimmen kannst du doch bestimmt, oder?" Er müsste darüber nachdenken, ob er vielleicht die Krise bekommen würde, wenn sich herausstellte, dass keiner seiner Freunde schwimmen konnte. Es war durchaus eine nervliche Belastung das zu wissen, aber selbst wenn das der Fall wäre, dann würde Naomi sich das bestimmt beibringen lassen, ganz im Gegenteil zu Souta, der sich ja sogar weigerte, nur in die Nähe des Meeres oder Seen zu gehen. Das war natürlich minimal hilfreich, weil er ihm so nicht einmal die Möglichkeit, diese Lücke zu füllen. Naomi dagegen war doch bestimmt schon einmal irgendwo schwimmen gewesen, sei es als eine Art Survivaltraining. Vielleicht, bevor ihr Adoptivvater verunglückt war, vielleicht auch danach mit Bekannten.

Ihre Lieblingsfarbe? Naomi überlegte, denn in der Tat hatte sie noch nie wirklich Gedanken darauf verschwendet welche Farbe ihr die liebste war. Rot war es auf keinen Fall, sie hasste rot fast, denn bisher verband sie damit nicht zwingend die besten Erinnerungen. Dunkle Farben waren es auch nicht, sie fürchtete sich im Dunkeln wenn sie allein war, auch wenn dies ihr manchmal doch sehr vertraut war. Es kam dabei wohl an in welchem Umfeld sie sich bewegte. Doch am allerliebsten hatte sie diese nicht. Als kleines Kind hatte sie viel Grün getragen, angeblich die Farbe der Hoffnung, aber das war irgendwie auch nichts. Dann blickte sie zu ihrem Gegenüber und musste leicht lächeln. Da war sie, die Farbe welche ihr Herz immer springen ließ, wo immer sie diese fand. "Ich denke es ist weiß", meinte sie mit einem Blick auf seinen Haarschopf. Da merkte sie erst, dass sie sich inzwischen wieder auf dem Boden befand. Wenn sie nun wirklich Kleidung kaufen wollten, sollte sie zumindest die Flügel wieder entfernen, diese wäre äußerst hinderlich. Also sorgte sie dafür, dass sich dieser wieder in ihren Körper verzogen, oder wohin auch immer sie verschwanden, wenn sie verschwanden. Danach machte sie sich mental darauf gefasst gleich etwas anzuprobieren, was in der Tat nicht mehr Körperfläche bedeckte, als ein bisschen Unterwäsche.
Dann betraten sie das Geschäft und dieses ließ Naomis kühnste Erwartungen wahr werden, zumindest bei der Damenmode. Von einem Hauch aus nichts bis zum ganzen Körper eindeckenden Tauchanzug gab es scheinbar alles. Doch sowas brauchte sie nicht, ein Seitenblick zu ihrem Begleiter und schon war es irgendwie wieder komisch, dass ausgerechnet er hier gelandet war und mit ihr einkaufen musste. Bedächtig ging sie an den Regalen vorbei. Ließ die Badeanzüge vorerst unbeachtet. Ihr war in der Tat bewusst, dass sie inzwischen etwas zu bieten hatte, etwas was sie gerne sorgfältig zu Geltung bringen wollte. Alles war allerdings so schrecklich bunt und wenn man mal etwas einfarbiges fand, dann war es ein grellen Neonfarben, die auf ihrer doch recht hellen Haut einen wahrscheinlich schaurigen Effekt haben würden. Doch dann weiter hinten da war etwas weißen, fast wollte sie sich drauf stürzen als Seraphim fragen, ob sie überhaupt schwimmen konnte. Berechtigte Frage, aber eine die sie gerne beantwortete: "Ja kann ich, sonst hätte ich dem Ganzen kaum zu gestimmt. Ich muss zugeben, dass ich sicher nicht besonders talentiert bin, aber ich werde nicht untergehen", mit einem Grinsen fügte sie hinzu, "Wobei es sicherlich schlimmeres gibt, als von dir gerettet zu werden Seraphim-sama."
Dann allerdings ging sie zu dem Bikini den sie gesehen hatte, wirklich schön und nicht allzu kitischig. In weiß wie Schnee, doch da das Problem, welches Oberteil sollte sie nehmen. Nun war der Spezialist gefragt, sie drehte sich zu ihrem Begleiter um und fragte ihn unschuldig lächelnd: "Nah was meinst du, welche Größe soll ich nehmen?" Dass sie keine Ahnung hatte machte seine Antwort umso wichtiger, aber würde er richtig liegen? Zur Not probierte sie jede Größe durch, sie war da nicht so, doch eine gute Schätzung würde ihr diesen Ärger ersparen.

"Weiß soll ja ganz modern sein..." Seraphim wusste nicht so recht, wie er von Naomis bisherigen Entscheidungen denken sollte, weil sie überhaupt nicht so handelte, wie er gedacht hätte. Das lag mitunter aber auch daran, dass er immer noch nicht ganz realisiert hatte, dass sie sich in einer so kurzen Zeit körperlich so krass hatte verändern können. Gut, vielleicht hatte er beim letzten Mal aufgrund von Stress nicht so genau hingesehen, aber es erschien ihm wirklich atemberaubend, wie sie sich entwickelt hatte. Das Mädchen, das er erwartet hatte, als er an ihrer Tür geklopft hatte, war noch unter die Bezeichnung süß gefallen, dieses hier aber nur noch teilweise. Er hätte sie sich richtig gut in einem niedlichen Badeanzug vorstellen können, wahrscheinlich hätte man ihr sogar Rüschen an demselben vergeben. Die junge blonde Frau hier allerdings... musste sich wohl für eines der Modelle entscheiden, vor welchen sie gerade stand. Ihn selbst verwickelte das ziemlich in einen Zwispalt, weil er das im Grunde seines Herzens durchaus befürwortete - und gleichzeitig von dieser Tatsache abgestoßen wurde. Natürlich gefielen ihm schöne Frauen lieber in einer entsprechenden Bekleidung (und bei Bademode hatte das bei ihm auch gerne etwas mit der wenigen benutzten Kleidung zu tun). Es war für ihn auch normalerweise nichts ungewöhnliches, sich besagte Frauen dann ohne die hübschen, aber dennoch so bedeckenden Accessoires vorzustellen, aber allein der Gedanke, das mit Naomi zu tun, war irgendwie... falsch. Er hatte sich jahrelang um das kleine Mädchen gekümmert und dabei ignoriert, dass er Kinder eigentlich nicht ausstehen konnte. Er hatte sie wie etwas besonders behandelt, sie Cousinchen genannt und als ungefähr das sah er sie nun auch: Als eine Art Verwandte. Verwandte schätzte man allerdings aufgrund ihres Wesens und es war sogar biologisch begründbar, warum man nicht versuchte, etwas mit ihnen anzufangen. Also sträubte sich etwas in ihm, sie in dermaßen offener Kleidung zu sehen, weil er sich selbst und seinen Körper viel zu gut einschätzen konnte. Doch das konnte und würde er nicht sagen, weil es bedeuten würde, eine Schwäche einzugestehen, was er nicht tat - mochte sie noch so offensichtlich oder bekannt sein. Stattdessen war es viel angemessener, ihr einfach ihre Fragen zu beantworten und sich danach eben dauerhaft auf die Zunge zu beißen oder so.
Es war gut, dass sie schwimmen konnte. Es wäre ihm auch zu unsicher gewesen, wenn sie das nicht gekonnt hätte, aber es gab Menschen in ihrem Alter, die alles behauten würden, nur um zu bekommen, was sie wollten. Als so jemanden hatte er Naomi zwar noch nie eingeschätzt, aber die Möglichkeit, sie könnte auf einmal weibliche Körperformen annehmen, hatte auch bisher nicht in seinem Kopf Platz gehabt. Wer wusste, was sich noch alles verändert hatte? Seraphim, der sich immer knapp einen Meter hinter Naomi gehalten hatte, blickte ihr nach ihrer Frage leicht misstrauisch in die braunen Augen und versuchte darin zu lesen. Sie lächelte so unschuldig, dass er fast geneigt war, ihr das auch zu glauben, aber es fiel ihm schwerer, weil sie sich bereits äußerlich so verändert hatte, dass er nun am besten alles in Frage stellen sollte, was er über sie zu wissen glaubte. "Wenn ich es nicht besser wissen würde, könnte man fast meinen, du würdest versuchen, mit mir zu flirten...", säuselte er und gab sich dabei große Mühe, unbeschwert zu klingen, auch wenn er sich dessen nicht so sicher war. Hey, es war sicherlich nichts Schlimmes dabei, mit anderen Menschen zu flirten, aber Naomi tat das in seiner Vorstellung einfach nicht. Er seufzte und zog schließlich zwei der Modelle hervor, die er ihr in die Hand drückte. "Da hinten sind Kabinen, probier‘ sie einfach mal an." Die Wahrheit war, dass er sich bei einer der beiden Größen sehr sicher war, die zweite aber aus gutem Grund noch dazu gelegt hatte - es war immerhin Naomi, mit der er hier einkaufen ging und sie musste sich ja wirklich nicht denken, dass er einschätzen konnte, was für eine Kleidergröße sie brauchte... waren ja eh nur Buchstaben.

Ach ja, dieser süße Zwiespalt, ob man den so gemochten Menschen nun mehr wie Jagdbeute sah, oder doch lieber als das kleine liebe Mädchen, welches sie zuvor gewesen war. Naomi allerdings wurde schlagartige etwas anderes bewusst. Damals als sie sich zuerst getroffen hatten, da hatte sie seine Augen komplimentiert. Daraufhin hatte er sie erstmals darauf hingewiesen, dass dies etwas mehr für Frauen war, nun fragte er ob sie mit ihm flirtete? Nun es war eigentlich keine schlechte Sache mit Seraphim zu flirten order. Sicher etwas was viele Frauen taten, aber doch eigentlich nicht etwas was Naomi tun wollte. Klar mochte sie ihn und sie war froh gewesen, als sie sich in seinen Armen befunden hatte. Auch der Kuss war angenehm gewesen, etwas vertrautes, wie aus einer Zeit, die sie längst hinter sich gelassen hatte. Ein Stück Heimat in einer fremden Welt. Sie nahm die ausgewählten Stücke entgegen und lächelte kurz: "Entschuldige, das wollte ich nicht." Danach zog sie sich in eine der Kabinen zurück. Wollte sie wirklich ihre Kleidung ablegen, um zu sehen ob er ihr passte? Zögerlich öffnete sie das Kleid, wobei es ein wenig Gelenkigkeit verlangte den Reißverschluss hinten zu öffnen ohne Hilfe, doch wollte sie ihn nicht herein bitten für so eine zweideutige Frage nach Hilfe. So fingen sicher viele seiner Abende an, da musste sie nicht Mittags damit anfangen.
Doch als sie die erste Stofflage fallen ließ konnte sie schon ihr erstes Mal erkennen. Ein Mal der Schande, dass sie Eigentum eines Mannes gewesen war, der ihr Onkel hätte sein sollen. Jemand dem sich ein Kind eigentlich zuwenden konnte, um Hilfe und Ratschlag zu erbitten. Irgendwann würde sie sich dieses Mal in Form eines A's entfernen lassen, sollte dort lieber eine größere Narbe entstehen, weil sie ein Stück Haut entfernt hatte, aber das wollte sie nicht haben. In Unterwäsche stehend konnte sie auch die leicht verzerrte Brandnarbe sehen, die noch von ihrem Abenteuer gegen die Puristen stammte, sie war auch nicht wirklich schön. Wollte sie sich so überhaupt zeigen, es war wahrscheinlich gar nicht so wirklich schön anzusehen. Doch das war nicht zu ändern. Andere Frauen waren Mütter, Dienerinnen oder was auch immer sie lernten, Naomi jedoch war eine Magierin, eine Kämpferin, dass sie dabei verletzt wurde, das war unvermeidbar. Wahrscheinlich war es sogar besser, dass ihr Körper nicht der schönste war, so konnte doch die Anziehung vermindert werden, die er eventuell auf den Magier vor der Tür ausübte. Wobei die Frage Seraphim zu verzaubern doch ab und an in der Luft schwebte. Nur ein einziges Mal vielleicht, damit dieses nicht doch noch einem Unglück zum Opfer fiel und an jemanden gelangte, der es nicht verdiente.
Nach einigen Minuten des Probierens stand fest, dass der eine passte und der andere etwas zu klein war. Ihre Stimmung hob sich etwas, als sie ihre Kleidung wieder an hatte und sich nicht mehr vollends betrachten musste. Schnell setzte sie ihre Schritte wieder vor den Vorhang. "Einer passt", verkündete sie dem wartenden und hängte den anderen zurück an den Platz woher man ihn genommen hatte. Diesmal würde sie zahlen, ein bisschen Geld hatte sie dennoch einstecken, es war sozusagen Kleingeld welches sie gehortet hatte für den Moment an dem sie flüchten würde, doch das musste sie nun nicht mehr, sie war frei, also begab sie sich zur Kasse und bezahlte das Stück, bekam dafür eine nette Tüte und gesellte sich wieder zu ihrem Begleiter. Umgriff seinen Arm und kuschelte sich an seine Seite: "Es tut mir so leid, dass ich größer geworden bin", nuschelte sie gegen den Stoff seiner Jacke und sog dabei den luftigen Geruch ein, der ihn zu umhüllen schien.

Was Seraphim anbelangte, kam es leider nicht auf die Intention an, sondern vor allem auf die Art, wie er etwas verstand. Wenn er schon das Gefühl hatte, dass Naomi mit ihm flirtete, dann musste es doch arg den Anschein haben, also kam sie damit in seine Reichweite. Müsste man ihre Konstellation mit zwei Schützen vergleichen, dann hätte man eine wirklich seltsame Kombination gefunden. Auf der einen Seite hatte man die mehr als unbegabte Schützin Naomi, die kein Scheunentor traf - gleichzeitig besaß sie allerdings auch einen unsichtbaren Schutzschild, der praktisch alle Geschosse wirksam von ihr ablenkte. Seraphim war das komplette Gegenteil: Er traf fast alles, war aber im Gegenzug dafür auch eine Art Magnet, sodass seine Gegner es nicht schwer hatten, ihn zu treffen. Weniger verschlüsselt ausgedrückt, war Seraphim von Natur aus anfällig für Flirtversuche, der einzige Grund, warum er sich nicht an der Nase herumführen ließ, war die Kombination eines scharfen Verstandes mit ausreichend Erfahrung, welche sein Ego niederringen konnten. Nichtsdestotrotz war Naomi in der Lage, ihn immer wieder mit der Nase in das Unbehagen zu stoßen, welches sie verursachte, weil sie ihn verunsicherte. Der Dragonslayer hasste es, wenn ihm die Kontrolle entrann und er nichts dagegen tun konnte. Tatsächlich ließ er seine Kontrolliertheit gerne los, wenn es sich um hübsche junge Damen in abendlichen Gastronomien handelte, aber nicht, wenn er einen kleinen Ausflug mit einer jungen alten Freundin machte, von der er körperlich nichts wollte. Eigentlich. Dummerweise kannte er seinen Körper und die Autonomie anderer Organe zu gut, um sich seiner Entschlossenheit in dieser Sache sicher zu sein, sodass er sich tatsächlich im Zwiespalt befand. Naomi hatte sich da nämlich einen nicht gerade dezenten Bikini herausgepickt oder etwa einen, welcher besonders viel Haut bedeckte. Klar war der Sinn einer solchen Bekleidung auch nicht, viel zu verstecken, aber... während Naomi in der Umkleidekabine war, bewegte er sich kurz in die deutlich kleinere Herrenabteilung und griff nach der ersten Badehose in seiner Größe, die nicht aussah, als habe man sie einer Dragqueen vom Leib gerissen. Wahrscheinlich würde ihm sogar ein solches Modell noch stehen, aber man musste es ja nicht herausfinden. Der graue Stoff war bereits über die Ladentheke gewandert, ehe Naomi heraustrat und eines der beiden Oberteile wieder zurückhängte. Er schmunzelte kurz, als er feststellte, dass er recht gehabt hatte und legte schließlich beinahe zögerlich den Arm um sie, als sie behauptete, dass ihr Wachsen ihr Leid täte. Sich ein schmerzliches Lächeln verkneifend, antwortete er: "Dabei sieht deine ältere Version doch so gut aus, Engelchen~" Oh ja, durchaus. Und das war vielleicht nervig.
Es dauerte nicht lang, bis sie an ihrem Zielort angekommen waren, selbst mit einem winzigen Zwischenstopp bei ihm Zuhause, wo er zwei Handtücher einpackte. Der See war gut versteckt am Rande eines kleinen Waldes zu finden. Die eine Seite befand sich so beinahe dauernd im Schatten der Bäume, während die andere im Moment von praller Sonne beleuchtet wurde. Ein kleiner Sandstrand befand sich dort, die helle Oberfläche momentan beinahe stechend gegen die grüne Umgebung und den blauen Himmel. Ein paar Vögel zwitscherten in der Krone der Bäume und eine leichte Brise wehte. Am Rande des Sees hatte ein kleines Restaurant eröffnet, das den Namen "Sandsturm" trug. Der Besitzer musste wohl ein wenig Humor besitzen, da ebenso viel Kreativität nötig war, sich hier einen solchen vorzustellen, wie die Gastronomie als etwas anderes als eine Strandbar zu bezeichnen. Aber es war immerhin eine schöne, ruhige, nicht allzu stark besuchte und vor allem hatten sie dort Umkleidekabinen und Spinde. Das war eine Art der Kombination zweier Menschenmagnete, die sicherlich profitabel war. Seraphim deutete auf eine der Türen und verschwand danach hinter einer zweiten, welche er bereits eine halbe Minute später wieder verließ, um seine Sachen in einem kleinen Bündel einzuschließen. Er hatte zwar keine Wertsachen mit, aber man wusste ja nie. Nun hieß es also zum zweiten Mal an diesem Tag auf Naomi zu warten... aber er war sich nicht sicher, ob er sich wirklich vollends darauf freute, dass sich die Tür der Umkleidekabine öffnete... Warum gleich war das alles so kompliziert?

Er legte seinen Arm um sie, es war fast wie sie es von Zugfahrten gewohnt war. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie den ganzen Tag damit verbracht sich einfach an ihn zu kuscheln. Schmusen, in ihrem nächsten Leben würde sie eine verschmuste Katze werden mit einem liebevollen Besitzer. Das war etwas Wichtiges. Ein liebevolle Besitzer, kein Irrer der irgendwelche merkwürdigen Dinge tat. Nachdem sie alles beisammen hatten ging es weiter zu dem Ort den Seraphim für ihr weiteres Zusammensein ausgesucht hat und Naomi musste zugeben er gefiel ihr. Wie eine kleine Oase wirkte er, dieser wunderschöne Fleck Erde in der Nähe von dieser Stadt. Vor den Kabinen trennten sich ihre Wege. Natürlich würden sie nicht die selbe benutzen, das wäre auf der einen Seite sicher etwas zu umständlich, wenn man wirklich vorhatte sich umzuziehen und auf der anderen Seite würde es nur andere Aktivitäten vermuten und das sollten sie vielleicht doch vermeiden, oder? Auf jeden Fall betrat Naomi schon zum zweiten Mal eine Kabine an diesem Tag und sah sich erneut mit dem Anblick ihres geschundenen Körpers konfrontiert. Wieso mussten auch überall Spiegel hängen? Wahrscheinlich damit junge hübsche Damen sichergehen konnten, dass auch alles richtig saß, doch das war bei Naomi so eine Sache. Etwas langsam bündelte auch sie ihre Kleidung und hielt diese so, dass sie zumindest die Narbe an ihrer rechten Seite verbarg als sie aus der Kabine trat.
Vor der Kabine stand Seraphim, er hatte scheinbar auf sie gewartet. Zufrieden stellte sie fest, dass er immer noch so wunderbar aussah wie sie ihn in Erinnerung hatte. Das bedeutete, dass sie neben ihm vielleicht gar nicht auffallen würde. Immerhin würde ein so hübscher junger Mann auffallend genug sein, um die Aufmerksamkeit von dem kleinen hässlichen möchte gern Schwan abzulenken. "Wie ich sehe bist du immer der arme Kerl, der auf mich warten muss, entschuldige, ich bin etwas langsam geworden", unachtsam stopfte sie ihre Kleidung in einen der Spinde, sie wollte sie nicht dauernd mit sich herumtragen, auch wenn sie natürlich eine tolle Bedeckung waren. Nun wusste sie nicht welche Körperseite sie am besten von ihm abwandte. Die linke Schulter mit dem hässlichen Familiensigel oder die rechte Seite mit der Narbe von der er eigentlich wissen sollte. Die Entscheidung fiel auf die Schulter, denn von dieser Narbe wusste er noch nichts und es würde nur negative Gefühle wieder aufkochen lassen und das wollte sie nicht. Doch wahrscheinlich hatte er sie schon längst entdeckt.

Es musste seltsam erscheinen, aber Seraphim bemerkte nicht einmal wirklich die Narbe, die man ihm zuwandte. Das war seiner ansonsten blendenden Beobachtungsgabe zum Trotz eine ziemlich schlechte Leistung, die aber damit zu begründen war, dass er sich große Mühe gab, nichts zu bemerken. Seraphims normale Reaktion auf eine hübsche junge Frau im Bikini war nämlich, diese ganz genau anzusehen, jedes Detail in sich aufzunehmen und danach abzuwägen, ob es sich wohl lohnte, sich näher mit ihr zu beschäftigen, aber bei Naomi sollte er das wohl besser nicht tun. Am Ende vergaß er noch, dass sie jemand war, der für ihn in dieser Richtung tabu war und kam noch auf komische Ideen, so etwa wie diejenige, sie überhaupt hier hinzubringen. Er ging damit ein großes Risiko ein... aber damit musste er nun wohl leben. Er hatte sich doch wohl gut genug im Griff, um hier nicht wie ein vollkommener Versager aufzulaufen, oder? Ein Seufzen später lächelte er Naomi an und fasste das Gesamtbild doch noch ins Auge, um festzustellen, dass er ihr hätte verbieten sollen, sich so etwas zu kaufen. Es war zwar nicht so, als sei sie nackt, aber dennoch war es ein so ungewohntes Bild, Naomi in etwas zu sehen, was sicherlich seinen Reiz hatte, dass es ihm befremdlich vorkam. Es war ein wenig so, als habe er gerade eben beschlossen, mit seiner nicht vorhandenen Schwester zu schlafen, obwohl nichts dergleichen geschehen war und das war ein sehr seltsames Gefühl. Vor allem, da er sich eigentlich für abgebrüht genug gehalten hätte, sogar das hinzukriegen. Er riss sich zusammen und legte den Kopf schief, machte einen Schritt zurück und grinste Naomi danach frech an. "Du musst die Vorteile deines Wachstumsschubes sehen, Engelchen - das hättest du vorher garantiert nicht halb so vorteilhaft tragen können." Solche Bademode lebte immerhin nicht nur von einer schlanken Linie, sondern auch einer adäquaten Füllung des oberen Bereiches. Dennoch verkniff er sich einen allzu genauen Blick in diese Richtung und stellte stattdessen fest, dass Naomi in Zukunft dringend ein wenig mehr Nahrung zu sich nehmen sollte. Das machte es für ihn persönlich allerdings gerade einfacher, weil er immerhin so etwas wie einen Notnagel gefunden hatte, an dem er seine reinen Gedanken festmachen konnte, damit sie nicht unweigerlich abglitten. Es war gut für ihn, auch mal ein Detail an ihr zu finden, das er nicht mochte, denn damit konnte er sich zur Not überzeugen, die Finger von ihr zu lassen. Die Narbe auf ihrer rechten Schulter war da eher weniger ein Hindernis, zumal die aussah, als könne man sie immer noch leicht korrigieren. Seraphim hatte immerhin geübt, nachdem das Examen vorbei gewesen war, weil er mit jeder weiteren Quest immer deutlicher merkte, dass Heilfähigkeiten wirklich gut dafür genutzt werden könnten, diejenigen zu beschützen, die ihm etwas bedeuteten... den anderen musste er ja nicht helfen. Heilen zu können bedeutete ja nicht gleich, auch heilen zu müssen... aber das Können gab Sicherheit.
Das war gut.
Im nächsten Moment bemerkte er ihre linke Schulter und seine Augenbraue machte einen spontanen Hopser. Das war überhaupt nicht gut.
"Was ist das?", fragte er und langte nach ihrem Arm, um sie zu sich zu ziehen und das Ganze einer Musterung zu unterziehen. Zwar kannte er das Zeichen nicht, aber da ihm der Nachname ihrer Familie bekannt war, wusste er gerade noch, eins und eins zusammen zu zählen. Es war eine echte Schande, dass ihr Onkel bereits verstorben war, denn ansonsten hätte er ihn gleich noch einmal getötet. Langsam einatmend sog er die Innenseite seiner Wange zwischen die Zähne und ließ sie dann wieder frei, ehe er sich in Richtung See drehte und Naomi hinter sich her zog. Es wäre unklug, hier zu besprechen, was thematisiert werden musste, weil es unfair ihr gegenüber wäre, Aufmerksamkeit darauf zu ziehen. "Und wann wolltest du damit rausrücken?", meinte er schließlich in neutralem, beinahe beiläufigem Ton, ehe er sie losließ und langsam ins Wasser watete. Es war angenehm kühl, doch nicht kalt genug, um störend zu sein.

Seine erste Bemerkung konnte sie nicht so recht einordnen. Musste sie wahrscheinlich auch nicht. Dennoch konnte sie seinen Blick fast auf ihrer Haut fühlen und das war ein merkwürdiges Gefühl. Doch dann auch wieder nicht. Wahrscheinlich war sie eben doch von minderem Interesse für ihn. Woher sollte sie ahnen, mit welchen Dämonen der junge Mann gerade rang, um sie nicht einfach nur als das Stück Fleisch zu sehen und welches sich die meisten weiblichen Wesen für ihn verwandelten. Dennoch blieb es weiterhin doch ein wenig merkwürdig zwischen ihnen, da er sie scheinbar doch etwas näher betrachtete und dabei ganz eindeutig ihr Schultermal entdeckte. Das war wohl nicht ganz so gut und er reagierte auch nicht besonders positiv darauf. Er zog sie am Arm zu sich und nahm es genauer unter die Lupe. Ein wenig gepeinigt von der Peinlichkeit die dieses nach sich zog antwortete sie leise aber knapp: "Ein A." Natürlich konnte er deutlich sehen, dass es ein A war, aber hier jetzt zwischen all diesen Menschen die hier ein und aus gingen wollte sie es nicht erklären. Er schien dies genau bemerkt zu haben, denn schon zog er sie hinunter zum See, wo sie bald das Wasser unter ihren Füßen fühlen konnte, es war angenehm kühl und mit der Sonne im Rücken wirklich gut zu genießen.
Das Gespräch welches er allerdings beginnen wollte war weniger angenehm. Doch damit musste man rechnen. "Also, eigentlich nie, es ist mir schrecklich peinlich dieses A. Es gehört nicht zu mir und klebt trotzdem an meiner Haut. Es ist irgendwie dumm, dass es doch so schnell herausgekommen ist, aber ich habe mich so sehr gefreut etwas mit dir machen zu können, dass ich total vergessen hatte, wie entstellt ich eigentlich bin. Es war bisher nicht wichtig", fast automatisch hatten sich ihre Arme um den Körper geschlungen und verbargen diese nun so gut es ging, doch noch lang nicht gut genug wahrscheinlich.

Seraphim blickte Naomi einen Moment entgeistert an, ehe er einen Stoßseufzer ausstieß, der verdächtig nach "Frauen" klang. Tatsächlich war das hier eher eine von Naomis ganz persönlichen Macken, aber die Logik war doch sehr ähnlich, wenn auch auf eine andere Sache bezogen. Der Weißhaarige schüttelte den Kopf und bückte sich anschließend in einer fließenden Bewegung herunter, um die Blondine unter Kniekehlen und Achseln zu packen und hochzuheben. Er machte fünf schnelle Schritte in den See hinein, ehe er sie mit einer Drehung seines Körpers in hohem Bogen von sich schleuderte, woraufhin ihr schlanker Körper einen formvollendeten Bogen flog und schließlich mit einem Spritzen ins Wasser abtauchte. Seraphim watete hinterher und wartete, bis der blondgelockte Kopf wieder über der Wasseroberfläche auftauchte, ehe er auf ihre schon zuvor stattgefundene Äußerung antwortete. Er hatte sich erst die richtigen Worte zurecht legen und ignorieren müssen, dass er hier gerade im Begriff war, eine ernste Unterhaltung zu führen, während keiner der Gesprächspartner besonders viel am Leib trug. Nicht, dass er das nicht schon vollkommen ohne Schutz getan hatte, aber nicht mit Menschen, die ihm tatsächlich etwas bedeuteten... "Engelchen." Das Wasser stand ihm hier inzwischen bis zum Hals, aber immerhin konnte er gerade noch stehen, ohne sich auf die Zehenspitzen stellen zu müssen. Das bedeutete aber auch, dass Naomi würde schwimmen müssen, wenn sie sich nicht an ihm festhielt. Hoffentlich hatte sie nichts gegen ein wenig paddeln, denn Seraphim hätte die Alternative für keine allzu gute Idee gehalten. "Du hast wirklich seltsame Vorstellungen von der Wichtigkeit der Dinge und deswegen möchte ich dich um eines bitten: Sollte dir irgendwann einmal irgendetwas seltsam vorkommen, bedrohlich, wenn auch nur ein bisschen, dann spiel es nicht herunter. Wende dich an jemanden, die Gilde oder mich, jemanden, dem du vertrauen kannst und behalte es nicht für dich. Deine Einschätzung ist ja manchmal richtiggehend gefährlich." Er lächelte leicht gezwungen und fasste sich schließlich doch ein Herz, streckte die Arme aus und zog seine Gildenkameradin zu sich. Er konnte sich nicht recht entscheiden, ob er nun eher traurig entnervt ob ihrer Art sein sollte oder sie ihn sorgen musste. Die Tatsache, dass sie ihm das hier verschwiegen hatte, fügte sich nahtlos an ihre seltsame Logik an, die sie nicht hatte gegen ihren Onkel aufbegehren lassen und formte ein Bild, das nicht autonom stehen konnte. Wenn sie immer so handelte, dann dürfte er sie eigentlich nicht einmal allein lassen... "Allerdings habe ich auch eine gute Nachricht für dich." Er lächelte sie an und ignorierte nicht nur, dass das Wasser Naomis Körper offenbar doch recht kühl erschien, sondern auch die kleine, albern verzerrte Stimme in seinem Kopf, die Ich bin schwanger! keckerte. Wobei das sicherlich alles wäre, nur keine Freude.