Wie erwartet hatte Ren ein dickes Fell und schien die Frechheiten, die man ihm entgegen brachte, einfach als hochnäsiges Attribut zu verbuchen, was dieses Haus irgendwie verlangte. Als man dem Mädchen seine Tasche reichte, nahm er sie ihr ab und sie schenkte ihm ein dankbares, aber dennoch gequältes Lächeln. In ihr tobte gerade ein kleiner Krieg, den ihr Körper mit dem Essen austrug. Welches eigentlich wunderbar gewesen wäre, wenn da nicht dieser Löffel ins Spiel gekommen wäre. Schon in frühen Jahren war aufgefallen, dass ihr Körper sehr negative auf Silber reagierte. Im Normalfall mit juckendem Ausschlag und deshalb hatte sie nie versucht, auch nur etwas Silbriges abzulecken. Bis sie in dieses Haus kam, wo Leute mit Silberbesteck von silbernen Tellern aßen und aus Gläsern mit Silberrand tranken. Dies war ein Abend gewesen, an dem Naomi zum ersten Mal kollabiert war. Erst dachte man, sie hätte vielleicht eine Grippe oder Ähnliches eingefangen, was das Mädchen dazu veranlasst hatte, alles, was es zu sich genommen hatte wieder auszugeben. Denn keinem anderen war es mit dem essen so schlecht gegangen. Irgendwann hatten sie dann angefangen sich daraus einen Spaß zu machen, jetzt wo Masaru durch diesen Hund Hauro ersetzt wurde, der immer genau auf alle Anweisungen hörte und sie nicht für das Mädchen zurecht bog, war alles anders.
Nun ging sie neben Ren und hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, in der Tat hatte Ren recht, er war wirklich unhöflich und das war schon fast peinlich, aber wahrscheinlich nur, weil Ren für die Familie niemand Wichtiges war. "Entschuldige, er ist ein Arsch ...", murmelte Naomi, der eigentlich die Galle schon bis zum Hals stand, im wahrsten Sinne des Wortes, doch noch musste sie sich noch etwas zusammenreißen, bis sie sicher war, dass sie außer Sichtweite waren. Sonst nahm man dies vielleicht noch als Anlass, sie zurückzuholen und krankzumelden. An der Straße war ein Baum zu finden, hinter eben diesen konnte sich die Blondine gerade noch retten, bevor sich das Essen zurückmeldete. Ein schreckliches Gefühl machte sich in ihr breit als sie scheinbar alles, was sie heute zu sich genommen hatte, wieder verlor. Eigentlich fühlte sie sich gerade so schrecklich, dass sie sich sofort hinlegen könnte, aber sie war nun mit Ren unterwegs. Also musste sie sich ein wenig zusammenreißen. "Das schöne Essen", sagte sie teils verlegen teils wirklich bedauernd. Momentan fühlte sie sich leer an, wenn man ihren Bauch klopfte, gab es sicher ein hohles Echo. Vielleicht konnte sie später nachsehen, was der Koch ihr eingepackt hatte.
Dann wandte sie sich erneut an den Questbegleiter, der immer noch so treu ihre Tasche trug. Wie sie es von damals gewohnt war, griff sie nach seiner Hand. Damals hatte es sich wie ein Schutz angefühlt, heute war es sogar mehr, als würde ein wenig seiner Kraft auf sie übergehen. "Was machen wir überhaupt?", eine sehr gute Frage, nun eigentlich war es egal, alles schien besser, als diese Hölle. Doch zumindest eine Kurzinfo wollte sie dennoch haben, damit sie sich darauf einstellen konnte.

Ren war es eigentlich ziemlich egal wie man ihn behandelte, so lang er sich dagegen wehren konnte. Dieses Mal war dies leider nicht der Fall, aber selbst das konnte er für die junge Blondine eine Weile ertragen. Was ihm jedoch missfiel, war dass Naomi zu Dingen gezwungen wurde, die ihr offenbar nicht passten. Doch genauso gut wusste er, dass es für ihn momentan nicht möglich war irgendwas dagegen zu tun. So konnte er auch damit leben, dass man unhöflich zu ihm. Auf Naomis gequälte Entschuldigung hin, grinste er also nur wieder. Das Gesicht des Mädchens war immer noch ziemlich blass und Ren dachte schon darüber nach, ob sie nicht vielleicht irgendwann umkippte. War es schlau gewesen sie mitzunehmen, wenn sie in dieser Verfassung war? Die nächst Frage wäre dann, ob es ihr wegen diesem Haus so schlecht ging? Vermutlich war es dann besser, wenn er sie hin und wieder mal dort heraus holte. Ren hätte selbst nicht erwartet, dass gerade er mit irgendjemandem Mitleid empfand, doch das Mädchen tat ihm schon irgendwie leid. Sie wurde ihrer Freiheit beraubt und zu Dingen gezwungen, die sie hasste. Ren kannte das aus seiner Kindheit, als er noch bei seinem Vater lebte, wenn auch etwas anders als sie. Dennoch schien er da schon eine Art von Empathie für das Mädchen zu entwickeln. Ob es was mit Sympathie zu tun hatte, bestritt sein Innerstes immer noch…
Er hatte zwar geahnt warum sie so blass gewesen war, aber als er sah, dass die junge Dame sich hinter den nächstbesten Baum rettete, um das Essen wieder hervorzubringen. Ob sie wohl irgendwas am Magen hatte? Ren hatte nicht den Eindruck gehabt, dass das Essen dort verdorben war. Sicher würde es auch nicht unbedingt dazu kommen, dass in einem so reichen Haus schlechtes Essen serviert wurde. Konnte man, wenn man sich unwohl fühlte, so reagieren? Das ging für seinen Verstand zu weit. Sie schien sich ein wenig zu schämen dafür und auch Ren wusste nicht so recht wie man darauf reagierte. Er kratzte sich am Hinterkopf und murmelte: „Ist das normal? Passiert dir das öfter?“ Wie sollte man sonst danach fragen? Er hatte es nicht so damit durch die Blume zu sprechen, aber naja… Sicher könnte auch er ihr etwas zu Essen anbieten. Zwar war er normaler Weise ziemlich geizig mit seinem Eigentum, doch hatte er ja immer noch für dieses Mädchen eine komische Art von Mitgefühl, die ihn dazu bewegte stets und ständig nett zu ihr zu sein. Da würde er sogar sein Essen teilen… Seltene Ehre… Als sie sich wieder an seiner Hand festhielt, versuchte der junge Mann einfach auszublenden was er gerade erlebt hatte, denn das gefiel ihm nicht sonderlich. Was man nicht mochte, verdrängte man gern mal. Da kam ihm die Frage nach dem was er vorhatte ganz gelegen, denn die Quest gefiel ihm. Er grinste das Mädchen frech an und sagte trocken: „Mörder jagen.“ Ob sie sich dazu in der Lage fühlte? Wenn nicht würde er sie einfach mitschleppen und auf sie aufpassen. Tatsächlich war es aber ziemlich schwer zu ignorieren, dass es dem Mädchen so schlecht ging… Ein wenig verlegen blickte er herunter, während er sich im Nacken kratzte… „Soll ich dich tragen?“ Und da hatte er seine Männlichkeit verloren… Oder nicht?

Seine Frage war berechtig, wahrscheinlich hätte Naomi sie ebenfalls gestellt, wenn es hier um Ren ging, der sich mit etwas quälte. Also schüttelte sie den Kopf: "Es ist nur der Silberlöffel. Ich reagiere allergisch auf Silber, nicht so sehr, dass es mich umbringt, aber auf der Haut verursacht es Ausschlag und nah ja der Löffel, du hast es gesehen. Onkel Gideons neues Hobby, seit es einmal ausversehen passiert ist, weil die Familie das gute Gedeck benutzt hat. Diese Familie ist gefährlicher als jeder sonstige Gegner. Sie sitzt mir den ganzen Tag im Nacken und ich kann meine Schwächen kaum vor ihnen verbergen. Irgendwann macht das aber auch keinen Unterschied mehr", zart blinzelte sie mit den Augen und lächelte ihn wieder an, als wäre nichts passiert. Nun, da sie sich von diesem Ort entfernten und scheinbar auf bestem Wege in ein neues Abenteuer waren, hatte zumindest ihr Gesicht wieder etwas Licht gefunden, was es zum Leuchten brachte. Doch müde schien sie immer noch. Es gab jedoch eine Sache, die sie bisher noch gut verheimlichen konnte. Sie hatte sich über Rens Magie informiert, allerdings noch keine Zauber gelernt, in ihr schlummerte allerdings nun ein erheblich düsteres Potenzial, welches sie irgendwann dazu verwenden würde, um dieser Hölle zu entkommen. Da war sie sich ganz sicher.
Als dann Ren auspackte, was sie vorhatten, musste sie grinsen. Mörder jagen, das war gerade wirklich nach ihrem Geschmack. "Das klingt gut", sie nickte bestätigend. Seine nächste Frage allerdings erwischte sie wie ein Hammerschlag. Hatte er gerade wirklich gefragt, ob er sie tragen sollte? Kurz ließ sie es in ihrem Kopf noch mal geschehen und kam wieder zu diesem Ergebnis, aber war das noch der gleich Kerl, mit dem sie vor Kurzem noch unterwegs gewesen war? Klar war es wunderbar, dass er so lieb und fürsorglich war, aber es macht ihr auch sorgen. Wie erbärmlich musste sie aussehen, wenn Prinz Eisenherz anbot sie zu tragen und dass ohne, dass sie ihn vorher herausgefordert hatte oder Ähnliches. "Danke Ren, das Angebot alleine reicht schon, um mich den Weg zu tragen", in der Tat reichte das wohlige Gefühl, zu wissen, dass sich dieser Mensch wirklich um sie sorgte, ihr erneut ein wenig Stärke zurückzugeben. Dann allerdings fiel ihr etwas auf, wenn Ren sich schon Sorgen machte, musste sie wahrscheinlich aussehen wie der wandelnde Tod: "Sehe ich wirklich so fertig aus?" Die Frage war vorsichtig und zögernd, doch in der Tat wollte sie es wissen. Sie hatte sich schon so an das fertige kleine Mädchen im Spiegel gewöhnt, dass sie nicht sicher war, wie schlimm es aussah.
Kurz, nachdem sie darüber nachgedacht hatte, kuschelte sie sich an Rens Seite. Auch wenn er immer recht kühl war, war das schön und sie fühlte sich viel wohler an seiner Seite. Hier war sie wahrscheinlich vor jedem Horror sicher und wohl behütet, wer würde sich schon mit dem Riesen anlegen, um sie zu stören. Wenn doch, dann befand er sich wahrscheinlich in der herrlichen Situation einer Naomi zu begegnen, die wenig für Störungen dieser Art übrig hatte und wahrscheinlich anders als sonst, demjenigen einfach verbal oder sprichwörtlich das Licht auspusten würde. Keine guten Voraussetzungen für den Mörder.

In seinem Leben hatte Ren von einigen Dingen gehört und auch schon so manches gelesen, was er kaum glauben konnte. Das was Naomi ihm aber gerade auftischte, war noch mal ein ganz neues Kaliber an Möglichkeiten des menschlichen Körpers sich über seinen geistigen Meister zu erheben. Menschliches Fleisch war so anfällig für Kleinigkeiten, die weder Sinn noch Zweck in Sachen Evolution hatten. Ein wenig hob sich die Augenbraue des Hünen an, als das Mädchen von einer Silberallergie sprach. In Sachen Metallen hatte Ren oft erlebt, dass Menschen gerade auf unreine Materialien allergisch reagierten, aber auf etwas so teures wie Silber? Das war ihm neu. Er selbst hatte relativ wenig Allergien an sich selbst entdeckt bisher und diese waren so geringfügig, dass sie ihn in seinem Alltag nicht beeinflussten. Da traf es die kleine Blondine schon härter mit einer Strafe wie der Allergie auf teures Silber in einer edlen Familie, die sicher keinen billigen Edelstahl in die Hand nimmt. Was sie erzählte, grenzte schon stark an Zynismus. Man nahm sie auf, um sie zu behüten und stellte sie vor fremden als Fräulein aus guter Familie dar, aber quälte sie bis zum Letzten mit ihren Schwächen. So wie sie nun aussah, war sie nicht unbedingt mehr ein Aushängeschild für die Familie. Blass, eingefallen und abgemagert zeigte man doch ungern eine Dame aus gutem Hause, oder? Ren verstand das nicht ganz, nickte es aber ab. Natürlich missfiel ihm dieser Zustand, doch wieder hinderte die Minderjährigkeit der Blondine daran ihr Hilfe anzubieten. Ren hatte mehr als genug Probleme mit dem Gesetz gehabt und seit er selbst volljährig war, zogen unüberlegte Handlungen des Akumas gern auch mal größere Probleme mit sich… Vermutlich wäre er gegenüber dem Mädchen sogar so gutmütig, dass er ihr anbieten würde sie mit sich zu nehmen, denn er selbst hatte in seiner Jugend eine helfende Hand gehabt, die seinen Kopf wortwörtlich aus dem Sand zog. Doch in der Wüste herrschten andere Gesetze als in Adelshäusern…
Hinterher lächelte das Mädchen als wäre rein gar nichts passiert und Ren verkniff sich jeglichen Kommentar dazu. Wäre sowieso nicht besonders hilfreich dazu irgendwas zu sagen. Und dass er kein Feingefühl hatte, wusste er ohnehin. Immerhin waren die beiden sich einig, dass Mörder jagen eine gute Aktivität war. Für Ren hieß Mörder richten nämlich jemanden hinrichten und das war ganz nach seinem Geschmack. Er hatte lang nicht mehr das Blut anderer Menschen an seinen Händen haben dürfen… Diesmal wurden sie sicher sogar dazu aufgefordert. Doch zurück zu der Frage, die er dem Mädchen gestellt hatte. Er hatte wohl damit ins Schwarze getroffen, denn es schien sie aufzubauen. Ihm persönlich machte es wieder Sorgen, aber naja… Sie lehnte ab und er fühlte sich schon so einigermaßen besser. Leicht grinste er sogar und sah sie dann plötzlich strenger an, als sie ihm die Frage stellte. „Wenn ich merke, dass etwas nicht stimmt, dann sollte dir das genug zu denken geben.“, gab er ihr ziemlich ernst als Antwort und sah dann seufzend gen Himmel. „Ich könnte dir später etwas Ordentliches zu Essen geben… Wenn du willst…“ Bei ihm konnte sie sich auf jeden Fall sicher sein, dass es nie im Leben in Kontakt mit Silber kam. Mittlerweile störte es ihn auch fast gar nicht mehr, wenn das Mädchen ihm so extrem nahe kam. Scheinbar hatte sich selbst sein Körper daran gewöhnt, der so etwas im Leben nie gehabt hatte. Es hatte ja keinen negativen Nachgeschmack, denn die Blicke anderer störten ihn ohnehin nicht. Die bekam er ja so oder so. „Wir müssen nach Oak Town. Im Zug wirst du also sicher eine Weile schlafen können.“, fügte er recht trocken hinzu. Er wollte nicht unbedingt behütend wirken, denn da würde er sich vor sich selbst erschrecken. Dass er damit aber etwas Gutes meinte, ließ sich heraushören. Ren wusste, dass sie Probleme mit dem Schlafen hatte und man sah es ihr auch an, dass es in letzter Zeit nicht besonders angenehm gewesen sein musste… Also liefen sie nun in Richtung Bahnhof und Ren wurde den unangenehmen Gedanken nicht los, dass er gerade menschlicher war, als er es sich je gewünscht hatte…

Es war gut sich endlich wieder sicher fühlen zu können und es gab wirklich weniger Menschen, bei denen Naomi sich so wohl fühlte wie bei Ren in diesem Moment. Scheinbar musste sie wirklich leicht fertig aussehen, zumindest ließ seine Aussage darauf schießen. Leicht schmusend vergrub das Mädchen sein Gesicht an seine Seite. Hier fühlte sie sich wohl und sicher. Er roch gut, auch wenn man darüber vielleicht streiten konnte, aber wenn es um Naomi ging, dann war dieser Mensch wie für sie geschaffen. Klar gab er sich groß und gruselig um nicht zu sagen unantastbar, aber Aktionen und Erfahrungen hatten gezeigt, dass sie ihm nicht egal war, dass er sich um ihr Wohl sorgte und, dass sie ihm vertrauen konnte. As er ihr anbot sein Essen mit ihr zu teilen, legte sie kurz ihre Hand an seinen Bauch: "Ich denke, das kannst du auch gut gebrauchen, das was in der Tasche ist, wird definitiv genießbar sein. Wenn mein Magen sich wieder beruhig hat, werde ich davon essen." Das versprach sie ihm, immerhin war sie hungrig, das auf jeden Fall nur hatte jemand ihren Magen verstört. Doch die Aussichten wurde noch viel besser, da sie scheinbar mit dem Zug fahren musste, wurde ihr gleich angeboten, dass sie dort schlafen konnte, was für ein Segen.
"Das ist das wunderbarste Angebot, das ich seit Langem bekommen habe, ich habe schon lang nicht mehr gut geschlafen", was man ihr wahrscheinlich ansah, "Ich bin so froh, dass es dich gibt, Ren." Etwas was er wahrscheinlich auch eher selten hörte. Wahrscheinlich gab es wenig Menschen, die ihn auch nur vergleichbar sehr mochten, das Mädchen mit dem großen Herzen jedoch hatte jedoch für jeden Platz, den sie dort haben wollte und den großen, gutmütigen Riesen wollte sie dort haben, ganz sicher wollte sie das. Die Blicke der Leute bemerkte sie schon gar nicht mehr. Ihre Welt war gerade auf ihn zusammengeschrumpft. Dass sie sich am Bahnhof befanden, merkte sie daran, dass ein Zug einfuhr. Eigentlich war sie sehr darauf versessen schnell die Tickets zu bekommen, damit sie sich an Ren kuscheln und schlafen konnte. Merkwürdiges Ziel einer Reise. Als sie endlich der Zugtickets habhaft werden konnte, steuerte das Mädchen recht zielsicher auf den gesuchten Zug zu: "Dieser ist es oder?" Eigentlich war sie sich sehr sicher, aber man wusste nie, was einem Müdigkeit so alles sehen ließ. Doch ihr Begleiter würde sie schon vor einer Dummheit bewahren.

Wenigstens war der Weg zum Bahnhof nicht allzu weit und man musste sich keine großen Sorgen darüber machen, dass die gerade so zerbrechlich wirkende Blondine diesen Gang nicht überstand. Eigentlich war Ren ja jemand der sich nicht sonderlich um die Bedürfnisse oder das Wohlbefinden anderer Menschen kümmerte, aber wenn er mit ihnen etwas zusammen erledigen musste, war es vermutlich besser, wenn sie nicht auseinander fielen. Das machte er sich zumindest vor. Tatsächlich machte er sich sogar wirklich Sorgen um Naomi, doch das wollte er in seinem eigenen Kopf nicht einmal einsehen. Wie dann also vor anderen Menschen? Was soll’s vermutlich merkte sie das ohnehin, aber selbst wenn sie ihn darauf ansprach, würde er es vermutlich abstreiten wie ein Wahnsinniger. Es störte ihn auch nicht mehr sonderlich, wenn sie sich an ihm festhielt oder sonstwas mit ihm machte. So lang sie ihn in seinen Bewegungen nicht einschränkte oder ihm nicht wehzutun versuchte, schien ihn dies äußerlich gar nicht zu berühren. Er ging auch stark davon aus, dass Naomi ihm nicht wehtun würde, nicht nur weil er glaubte, dass sie seinen Widerstand nur schwer überwinden konnte, sondern auch, weil sie sich damit selbst mehr schaden würde als ihm. Sein Angebot das Essen mit ihr zu teilen, lehnte sie aber ab, weil sie meinte, dass sie selbst noch einiges dabei hatte. Ren nickte nur stumm. Er teilte sein Essen ohnehin nur ungern… Dennoch verstimmte ihn eine Ablehnung irgendwie. Warum wusste er nicht… Die Reaktion auf sein anderes Angebot überraschte ihn jedoch ziemlich. Naomi schien total begeistert darüber zu sein, dass er sie dort schlafen lassen wollte. Also hatte er mit seiner Annahme richtig gelegen, dass sie lange nicht gut geschlafen hatte. Er wusste ja noch vom letzten Mal was sie für Probleme damit hatte und wenn man betrachtete wie sich ihre Lebenssituation noch einmal verändert hatte, dann war es nicht verwunderlich, dass es ihr nicht unbedingt besser gegangen war. Was sie aber sicher völlig gedankenlos zu ihm darauf folgend sagte, ließ Ren einen Moment lang erstarrten. Sie war froh, dass es ihn gab? Ihn? Er zweifelte kurz an seinem Gehör, denn etwas in der Art hatte noch nie ein Mensch zu ihm gesagt. Zwar schaffte er es nach wenigen Sekunden sich wieder fortzubewegen, doch innerlich irritierte der Satz den Hünen gewaltig. Selten war gar kein Ausdruck. Noch nie in seinem Leben hatte jemand zu Ren gesagt, dass es gut war, dass er da war. Er war immer das absolute Gegenteil von willkommen gewesen und sogar sein eigener Vater hatte ihm gewünscht, dass er in der Wüste starb, denn er hatte ihn nie gewollt… Eine ganze Weile blieb er absolut still und lief mit ihr zum Bahnhof. Er wollte nicht sprechen und er hatte auch nichts zu sagen… Erst als sie auf dem Bahnhofsgelände die Tickets holten, sprach er mit der Person die dafür zuständig war. Aber auch da fasste er sich recht kurz und zeigte dabei keinen Ausdruck von irgendwelchen Gefühlen. Er sagte nur ihr Ziel, gab dem Mann das Geld und nahm die Tickets entgegen. Dann schleppte er das Gepäck der beiden einfach weiter dorthin, wo sie hinmussten. Naomi schien direkt ausgemacht zu haben wohin sie mussten. Wie immer hatte Ren es nicht besonders mit Zügen und musste in allen Ecken nachsehen wo man denn herausfand wohin das Gefährt steuerte. Als er es aber gefunden hatte, wurde nur klar, dass das Mädchen Recht hatte. Er nickte ihr zu und folgte ihr daraufhin in das Fahrzeug. Kaum stiegen sie die Stufen hinauf, wurde deutlich, dass diese Strecke heute gut befahren war. Ren zog eine Augenbraue nach oben als er die Reihen absuchte, um einen Sitzplatz zu finden. In diesem Wagon würde es wohl nichts werden, also winkte er das Mädchen hinter sich her und lief voran in den nächsten. Auch hier war es nicht sonderlich leer. Die letzten Plätze wurden besetzt, allerdings war Ren nahe an einem dran. Doch gerade wollte sich ein Jugendlicher darauf stürzen. Die Reaktion des Hünen daraufhin war einmalig. Er zog seine Tasche von der Schulter und warf sie auf den Sitz bevor der Junge sich setzen konnte. Dieser starrte ihn irritiert an, woraufhin Ren ihm einen Blick zurückgab, der nicht mehr hätte sagen können. Zwar verzog er kein Gesicht und sein Blick hatte somit keinen Ausdruck, doch die silbernen Augen des Mannes reichten, um den Teenager zurückweichen zu lassen. „V-Verzeihung! Ich wusste nicht, dass Sie hier sitzen!“, entschuldigte er sich eilig und lief vor ihnen weg. Ren zuckte nur mit den Schultern und lief ein Stück weiter zu dem Platz, um für Naomi darauf zu deuten. „Setz dich lieber.“, sagte er knapp und blieb daneben stehen… Ein ganz kleines bisschen Gentleman war er ja schon… Aber eben nicht viel und auf eine sehr merkwürdige Art und Weise…

Naomi folgte ihm in den Zug, der scheinbar der Richtige für sie war. Wie bei ihrer ersten Reise, welche sie zu einer Quest führen sollte, war auch dieser Zug brechend voll. Resolut führte Ren sie durch die Mengen im Waggon und ergatterte in der Tat auf sehr spektakuläre Weise einen Platz, indem er einen Jugendlichen davon verscheuchte. Naomi blieb die ganze Zeit dicht bei ihm. Sie wollte nichts mehr als einfach nur bei ihm sein. Dann bot er ihr den Platz an. Ein Gentleman vor dem Herrn ihr werter Begleiter, doch das wollte das kleine Mädchen nicht, es würde ihr nämlich das rauben, was sie effektiv brauchte, um ruhig und sorgenfrei zumindest ein wenig Schlaf zu finden. Aber sie wusste eine Lösung, sie hatte diese bereits erlebt, bei ihrer ersten Quest. Damals war sie sehr verwirrt gewesen, doch diesmal wollte sie es. "Ren, ich würde gerne auf deinen Schoß", konnte man eigentlich noch egoistischer sein? Wahrscheinlich nicht und, wenn sie wieder wach wurde, würde sie sich sicher dafür hassen, aber genau jetzt wollte sie gerne in seinen Arm, wo sie sicher war. Mit einem Blick der wie üblich hätte töten können ließ er sich auf dem ergatterten Platz nieder und Naomi konnte es kaum noch erwarten, sie wollte die Reise auch auf seinem Schoß verbringen.
Also kletterte sie kurz danach auf seine Beine und kuschelte sich an ihn heran. Das Köpfchen an der breiten Schulter zur Ruhe gelegt, friedlich und entspannt. Dies war die Art von Ruhe, nach der sie sich so schrecklich gesehnt hatte. "Das hat mir gefehlt", alles in ihrem Leben war so kalt geworden und dagegen war Ren wirklich warm und sie fühlte sich wirklich wohl bei ihm. Nirgendwo könnte es gerade besser für sie sein, als an diesem Ort. Entspannt hörte sie, wie sein Herz schlug und sie schloss die Augen. Ein wundervoller Klang, der sich in ihrem Gehörgang breitmachte und sie zunehmend beruhigte. "Danke Ren", kurz fanden ihre Lippen den Weg zu seiner Wange, bevor ihr Kopf sich wieder auf seine Schulter niederlegte, wo sie die Augen schloss. Es war, wie Ohnmacht die sie überkam, natürlich wurde es dunkel, wenn man die Augen schloss, aber gerade wurde alles wirklich schwarz. Leicht griff sie in die Kleidung des jungen Mannes und hielt sich an ihm fest. Traumloser Schlaf überfiel sie und schlug sie nieder. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glatt glauben, der Akuma hätte heute Morgen in Chloroform gebadet. Doch es war nur die Müdigkeit, die seine Begleitung dahin schlafen ließ.

Ein wenig ungeduldig stand Ren neben dem freien Sitz und räumte die Taschen wieder bei Seite, nachdem er Naomi dazu aufgefordert hatte sich zu setzen. Nicht umsonst wollte er ihr mit aller Kraft einen Sitz ergattert haben, damit sie sich dann dort nicht setzte. Wenn sie hier nicht zur Ruhe kam, schaffte sie es vielleicht gar nicht lang auf der Quest ohne, dass ihr die Augen zufielen. Er hatte bei seinem Plan ihr einen Platz zu suchen jedoch nicht bedacht, dass sie das vermutlich nicht einfach so ohne Widerrede mit sich machen ließ… Und kaum fiel ihm dies ein, kam sie auch schon mit einer Aussage, die ihn erschrak. Was verlangte sie da von ihm? Sie wollte sich auf seinen Schoß setzen? Ren hatte es nicht sonderlich gern, wenn jemand sich auf seinen Schoß setzte. Vor allem bei weiblichen Personen… Auch wenn er auf diese bestimmte Art und Weise für niemanden empfand, war es doch komisch, wenn sich eine Person des anderen Geschlechts da hin setzte! Moment… Egal welches Geschlecht, es ist so oder so komisch. Dennoch konnte er dem schwachen Mädchen nur schwer den Wunsch ausschlagen. Man konnte deutlich erkennen, dass sich in ihm einiges dagegen wehrte, doch er nickte stumm, setzte sich auf den Sitzplatz und nahm die Hände bei Seite, damit sie sich setzen konnte. Sie war leicht… Fast würde er sie nicht merken, wäre da nicht diese starke Wärme, welche die Blondine ausstrahlte. Offenbar machte sie es sich bequem und er ließ das relativ angespannt über sich ergehen. Kaum war sie zur Ruhe gekommen, richtete sie sich noch einmal auf und ließ es sich scheinbar nicht entgehen ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Wieder einmal zuckte er etwas, weil er damit nicht gerechnet hatte, guckte aber dann einfach leicht beschämt zur Seite und wartete darauf, dass sie sich wieder legte. Recht schnell fand ihr Kopf seinen Platz an seiner Brust wieder und er blickte deutlich verlegen zu ihr herunter. Damit konnte er nicht so recht umgehen, denn das war schon das extremste an Körperkontakt, das er in seinem ganzen Leben erlebt hatte. Er merkte selbst wie sein Körper darauf reagierte und seinen Herzschlag zu Höchstform antrieb. Naomi schien sich dennoch sehr wohl dort zu fühlen und hielt sich sogar an seiner Kleidung fest, woraufhin er seine Hand auf die ihre legte, da er wusste, dass es sie beruhigte, wenn man ihre Hand hielt…
Als es ruhig war, drehte er vorsichtig den Kopf zur Seite und blickte aus dem Fenster. Jemandem so nahe zu sein, dass man seinen Herzschlag spüren konnte, war für Ren eine ziemlich unübliche Erfahrung. Sein Vater hatte ihm als Kind gegeben was er zum Leben brauchte, aber etwas in dieser Art hatte er nie erleben dürfen. Was man aber nicht hatte, fehlte einem nicht, oder? Ren fragte sich, ob er ein anderer Mensch wäre, wenn er liebevolle Eltern gehabt hätte. Naomi hatte selbst in ihrem Leben viel Leid erfahren müssen und war dennoch so ein von Grund aus positiver Mensch… Ob er auch so wäre? Wollte er das? Es wäre vermutlich leichter normal zu sein… Aber der Zug war für ihn vermutlich abgefahren. Dennoch musste er sich so langsam eingestehen, dass dieses Mädchen ihm etwas bedeutete. Je mehr er es verdrängte, desto deutlicher wurde das. Es gab nur vier Menschen bisher die er tatsächlich genug kannte, um eine Art besonderes Gefühl für sie zu hegen. Da waren zum einen seine Mutter, die er nie persönlich kennenlernte, aber dennoch sehr schätzte und sein Vater, den er mehr hasste als jeden anderen Menschen und dessen Tod er sich ersehnte. Und zum anderen waren da zwei Jungen, welche ihm vor seinem eigenen Tod in der Wüste gerettet hatten. Prinzipiell hatte er in den letzten Jahren nur von seinem Hass gelebt. Und was war Naomi? Der Mensch, der ihn mehr oder weniger unbewusst gelehrt hatte, dass man nicht alles auf Abstand halten musste, weil es auch ganz nett sein konnte Kontakte zu anderen zu haben… Und das wirklich bedenkliche für ihn an dieser Stelle war, dass er vermutlich über die Grenzen seines Verstandes hinausgehen würde um diese Beziehung zu schützen… Kurz senkte der junge Mann seinen Kopf und schloss die Augen. Sie roch sogar verflucht gut… Ein Seufzen drang über seine Lippen… Vielleicht sollte er bis nach Oak Town auch noch mal die Augen zu machen… Dabei musste man sich wenigstens nicht so sehr den Kopf zerbrechen.

[Ooc: Du könntest im nächsten Post vielleicht schon in Oak Town das Ankommen beschreiben... Neuer Thread wäre dazu ganz nett!]

Start OFF: Die letzte Kette bricht

Ein schöner sonniger Tag in der schönen Stadt Oshibana. So schien auch die Sonne auf das Haus der Familie de Avillon. Im Garten, der wie immer hübsch gepflegt ist, steht der Gärtner und verrichtet seine Arbeit. Schneidet hier und da Hecken und Büsche, gießt wo es nötig wäre und summt dabei zufrieden vor sich hin. Im Schornstein ist Rauch zu sehen, der selten benutzte Ofen im Wohnzimmer ist im Gang, Akira sitzt dort und liest. Sein freier Tag, heute keinen Unterricht für den jungen Herrn des Hauses, welcher ganz glücklich darüber sein würde, wenn er dafür nicht momentan im Arbeitszimmer seinem Vater lauschen müsste, der ihm Vorträge über die Familiengeschichte hält. Nicht nur über die Geschichte, sondern auch seinen Plänen für ihn und seine Zukunft. Diesen Plänen möchte Jonathan allerdings nicht so gerne Zustimmen, weil diese ein Studium der Medizin beinhalten würden und dafür müsste er noch mehr Zeit dem Studium von Dingen widmen, die ihn ganz und gar nicht interessierten. So weit war es also gekommen, dass sein Vater ihm Vorschriften machte, wie seine Zukunft auszusehen hatte, sonst war dies immer nur ..., immer nur Naomi passiert. Doch deren Zukunft stand in den Sternen und in diesem Hause interessierte sich keiner für Sterndeutung oder ähnlichen Hokuspokus, den man nicht nützlich einsetzen konnte.
Hauro, der junge Mann, der aus dem Süden gekommen war ging im Flur auf und ab. Das Leben als normaler Leibdiener im Hause war recht fad. Da sich Naomi nicht mehr wirklich von der Stelle rührte und er ihr deshalb nicht mehr auf Schritt und Tritt folgen musste war er nun für jedes Familienmitglied da und keiner Außer dem Jungen ging häufiger aus dem Haus. Wenn Gideon das Haus verließ durfte man ihn eh nicht begleiten und so war dem großen Kerl langweilig, quasi sterbenslangweilig. Es gab einen Abend, da hatte es ihn so gequält, dass er in der Tat ein Gespräch mit Akira angefangen hatte. Die zwei Herren gingen sich in der Regel aus dem Weg, weil sie einander nicht so gut riechen konnten. Akira sah in dem Kraftprotz einen Proleten aus der Ödnis, der nichts weiter konnte als Befehle befolgen, die man ihm an den Kopf warf. Damit hatte er allerdings das Wesen des Orientalen sehr gut getroffen und dieser mochte die hochgestochene Art des anderen nicht. Seine Weise auf ungebildetere Leute hinabzusehen und sich daran zu weiden, dass er die einfachsten Dinge so kompliziert verpacken konnte, dass diese keiner mehr verstand. Kurz um, die zwei mochten sich nicht.
In der Küche herrschte dafür Lebendiges Treiben. Der Koch war gerade dabei das Mittagessen vorzubereiten. Nicht nur für die hohen Herrschaften, sondern auch für die Belegschaft und die junge Frau im Keller. Die zwei Dienstmädchen welche noch angestellt sind helfen ihm dabei. Sie sind guter Dinge, auch wenn sie beim Betreten und Verlassen der Küche immer wieder daran erinnert werden, woran ihr Glück eigentlich hängt. Auf einer alten Matratze liegt draußen im Flur eine junge Frau mit langen lockigen blonden Haaren. Ihre Augen sind halb geschlossen und immer, wenn sie zufallen, schreckt sie auf und starrt um sich. Angst, welche nicht von dem lächerlichen Aufzug übertüncht werden können. Der Katzenschlafanzug, für ein Kind wäre er sicher niedlich gewesen, aber für sie? Gerne zieht sie sich die Mütze mit den Katzenohren zieht sie sich gerne ins Gesicht, am liebsten darunter Verstecken, doch man kann sich hier vor nichts verstecken. Gerade liegt sie ein wenig abwesend auf der Seite. Die Beine an den Körper gezogen und den Gang hinunter blickend zum Fuß der Treppe die nach oben führt. Sie erwartet niemanden und dennoch hofft sie auf etwas. Vielleicht besucht Jonathan sie später? Man glaubt es kaum, doch ihr Cousin wurde nun doch zu einem eher liebevollen Lebensbegleiter. Man kann sich seine Engel nicht aussuchen.

Nicht selten hörte man an seinem Geburtstag die Frage, wie es sich denn mit der entsprechenden Anzahl von Jahren auf dem Buckel anfühlte und die ehrliche Antwort war immer dieselbe: Auch nicht anders, als vorher. Seraphim hatte zwar erst im Januar seinen Jahrestag, aber immerhin hatte er seit Neustem einen großen Fortschritt in seiner Karriere gemacht, was für ihn ein ähnliches, wenn nicht sogar größeres Fest gewesen war. Er hatte bereits zwanzigmal seinen Geburtstag gehabt, auch wenn er sich nicht an alle davon erinnern konnte, aber man wurde nur einmal im Leben Sephirot! Entsprechend gut war der Dragonslayer grundsätzlich drauf, auch wenn das Examen bereits ein bisschen her war. Für seine Mitmenschen würde das Urteil der Prüfungskommission sicherlich ein Fluch werden, da es das Ego des Weißhaarigen nur noch mehr aufpoliert hatte, sodass er damit nun sicherlich Leute erblinden lassen konnte. Natürlich hatten sie ihn befördern müssen, schließlich war er der Sohn von Grandine, der Herrin des Himmels! Er war nicht nur stark, sondern auch einfach so etwas besonders, dass man nichts anderes erwartet haben konnte...! So gut das Examen für ihn verlaufen war, es gab dennoch eine unerfreuliche Wendung, um die er sich heute kümmern würde: Auf der zweiten Ebene des fliegenden Schlosses hatte er eine seiner Gildenkameraden zurück lassen müssen, die sich auf sehr kryptische und beunruhigende Weise von ihm verabschiedet hatte. Normalerweise würde er solches Benehmen als die Unfähigkeit, das eigene Versagen einzugestehen, werten und nicht darüber nachdenken, aber bei Naomi konnte man da manchmal nicht so sicher sein. Eine Person mit abgedrehterem familiären Hintergrund kannte er nicht, sodass er davon ausgehen musste, dass vielleicht doch etwas an der ganzen Sache dran gewesen war. Da das kleine blonde Mädchen auch noch zu den Menschen gehörte, die Seraphim als seine Freunde bezeichnete, hatte er beschlossen, all dem auf den Grund zu gehen. Wo sie wohnte, wusste er von einem vorherigen Besuch: Damals hatte er ihren Cousin durch den Garten geschleudert und sie kurzerhand mitgenommen, sodass er davon ausging, dass er nicht mehr besonders willkommen in der Villa der de Avillions war. Allerdings war Seraphim niemals jemand gewesen, dem viel an der Aufmerksamkeit und Akzeptanz solcher Leute lag, zumal er als frisch gebackener Sephirot die Unterstützung seiner Gilde wohl mehr als die meisten anderen auf seiner Seite hatte. Um genau zu sein war er nicht nur einer ihrer S-Rang-Magier, sondern auch noch einer der hoch geachteten Dragonslayer... wer sich mit Seraphim anlegte, der hatte wahrscheinlich schnell eine ganze Magiergilde gegen sich, sollte es eskalieren. Er würde sich deswegen nicht darum scheren, ob man ihn dort gerne haben wollte, sondern einfach tun, was ihm beliebte - so wie immer eigentlich.
Die weißen, stets unordentlichen Haare wehten leicht im Wind, als Cyrus die Straße entlang ging. Er hätte schweben können, um die Passanten starren zu sehen, aber hatte sich doch noch dagegen entschieden, weil es unter Umständen nicht klug war, gerade jetzt allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wer wusste, was ihn erwartete und wie er darauf reagieren würde. Er hatte keine Genehmigung, die Abrissbirne zu schwingen, sodass er sich vielleicht würde aus der Affäre ziehen müssen und da musste ihn nicht die halbe Stadt gesehen haben. Er trug ein schwarzes Shirt unter einer weißen Kapuzenjacke, eine ebenfalls weiße Hose und graue Stiefel, was ihm ein gewohnt monochromes Aussehen verlieh. Eine Kette mit nicht weiter identifizierbarem Anhänger verschwand in seinem kreisförmigen Ausschnitt. Mit einem Kopfschütteln durchschritt er das protzige Tor und ging auf die Haustür zu, deren Klingel er bereits einmal betätigt hatte. Ohne Zögern drückte er darauf und wartete geduldig. Sollte ihm nicht geöffnet werden, konnte er die Tür immer noch aufbrechen, aber solange dazu keine Notwendigkeit bestand, würde er sich brav an die Spielregeln der menschlichen Gesellschaft halten. Nur des dramatischen Auftritts wegen, würde er so etwas nicht tun, ganz so schlimm war er in der Hinsicht nämlich eindeutig nicht.